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Kommentar
Gossau ZH
04.09.2024
24.09.2024 14:49 Uhr

Anonyme Briefe sind nicht die Lösung

Die Faust im Sack machen, bringt keine Verbesserung. (Symbolbild)
Die Faust im Sack machen, bringt keine Verbesserung. (Symbolbild) Bild: AdobeStock
Bei der Schule Gossau ZH ist der Teufel los. Die Vorwürfe an die Schulpflege, vor allem an ihren Präsidenten, sind massiv. Seit Wochen erhält unsere Redaktion anonyme Schreiben zum Thema. Doch das ist nicht die Lösung. Ein Kommentar von Barbara Tudor.

Seit Mitte Jahr hört man von der Schule Gossau wenig Gutes. Angefangen hat es mit der Mitteilung der Schulpflege, dass der langjährige Leiter der Oberstufenschule die Schule verlässt. Kurze Zeit später wandten sich Arbeitskollegen des Schulleiters an die Öffentlichkeit und beklagten den Grund, weshalb der beliebte und langjährige Schulleiter gekündigt habe. Offenbar hatte der Schulpflegepräsident dem Schulleiter eine deutlich schlechtere Mitarbeiterbeurteilung abgegeben als zuvor. Der betreffende Schulleiter wollte gegenüber Zürioberland24 bislang keine Stellung nehmen.

Wenig später, im Juni 2024, gelangten mehrere Elternmitwirkungen von Gossau an die Eltern und informierten über die App Escola, dass ein Treffen mit der Schulpflege stattgefunden habe. Grund: Die Elternmitwirkungen von Gossau Dorf, Bertschikon und Ottikon-Herschmettlen würden eine Zunahme von Kontakten seitens Lehrpersonen und Eltern feststellen, die mit der Führung und den Prozessen der Schule nicht zufrieden seien. Die Elternmitwirkung sprach gar davon, dass die Bildung der Kinder im Schulhaus Rooswis gefährdet sei (wir berichteten ausführlich).

Seither erreichen uns fast täglich anonyme Schreiben, die aufgrund ihrer Inhalte von Lehrpersonen wie von Eltern stammen. Viele schreiben, dass sie sich aus Angst vor dem Schulpflegepräsidenten nur anonym melden möchten. Auch wurde unserer Redaktion kürzlich der vollständige, über 40-seitige Evaluationsbericht der Schule Gossau zugespielt, wo die Lehrpersonen kein gutes Haar an der Organisation der Schule, an den Führungsstrukturen und an der Kommunikation der Schulpflege lassen. Auch die Vorwürfe an die Adresse des Schulpflegepräsidenten sind happig. Der Präsident nahm auf Anfrage von Zürioberland24 Stellung dazu.

«Noch nie haben wir zu einem Thema so viele anonyme Briefe bekommen.»
Barbara Tudor, Herausgeberin

Hat die Schulpflege versagt?

Noch nie haben wir in unserer Redaktion zu einem Thema so viele anonyme Zusendungen erhalten. Es sind längst keine einzelnen Wortmeldungen mehr. Das Sprichwort «Wo Rauch ist, ist auch Feuer» dürfte hier zutreffen.

Der Schulpflegepräsident räumte in einem Interview im Juli 2024 zwar Handlungsbedarf ein, u.a. was die Kommunikation betrifft. Jene Kommunikation, die sich der Schulpflegepräsident bei den Wahlen im Jahr 2022 so gross auf die Fahne schrieb. In einem Interview sagte er seinerzeit: «Die Kommunikation der Gossauer Schulpflege ist in den letzten Jahren zurückhaltend und hauptsächlich reaktiv gewesen, was zu Irritationen geführt hat. Meines Erachtens muss die Kommunikation proaktiv erfolgen und es sollte auch öfter mitgeteilt werden, wo sich Betroffene oder Interessierte mit Fragen, Lob oder Kritik hinwenden können.» Nun, dieses Ziel dürfte er fast zwei Jahre nach seiner Wahl deutlich verfehlt haben.

Doch statt die Hausaufgaben zu machen, den echten Dialog auf Augenhöhe zu suchen und die Anliegen von Lehrpersonen und Eltern wirklich ernst zu nehmen, versteckt man sich hinter leeren Worthülsen und versichert, dass man offen für den Austausch sei. Vor allem aber sucht man die Schuld offenbar lieber bei den anderen, als sich selbst kritisch zu hinterfragen. Einem Schulleiter soll sogar mit der Kündigung gedroht worden sein, weil er angeblich Kontakt zu mir als Herausgeberin gehabt haben soll (was nicht wahr ist). Auf unsere Anfrage antwortete der Schulpflegepräsident wie folgt: «Eine etwas gar abenteuerliche Frage. Sie werden verstehen, dass ich zu personalrechtlichen Fragen grundsätzlich keine öffentliche Auskunft geben darf und will.» Ein Nein klingt anders. Abenteuerlich ist wohl eher das Verhalten der Schulpflege in diesem Fall.

Lehrpersonen und Eltern wenden sich anonym an die Presse – aus Angst vor negativen Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit oder auf ihre Kinder, die in Gossau zur Schule gehen. Daran sind weder die Medien, noch Lehrpersonen, Schulleitungen oder Eltern Schuld. Verantwortlich dafür ist die Schulpflege, die ihren Laden führungstechnisch und offenbar auch auf persönlich-menschlicher Ebene nicht im Griff hat. Ein Vater schrieb uns in seinem zweiseitigen Brief mit dem Titel «Besorgnis um das Wohl meiner Kinder»: «Irgendwann muss man akzeptieren, dass man nicht die richtige Person für diese Aufgabe ist.» Aus Angst vor negativen Folgen will auch er anonym bleiben.

«Wir schätzen das Vertrauen, das man uns entgegenbringt. Doch anonyme Briefe an die Presse sind nicht die Lösung.»
Barbara Tudor, Verlegerin

Anonyme Briefe sind nicht die Lösung

Bei allem Verständnis für die Situation von Lehrpersonen und Eltern, muss ich als Herausgeberin aber auch sagen: Es ist nicht die Lösung, anonyme Briefe an die Presse zu senden und zu hoffen, dass sich dadurch eine Situation verbessert. Wir können ein Thema aufs Tapet bringen, einen Anstoss zur Diskussion herbeiführen und durch saubere Recherche Licht ins Dunkel bringen. Das Problem müssen die Direktbetroffenen aber selbst lösen.

Ein Gossauer Bürger schrieb in seinem anonymen Brief zum Thema Kommunikation des Schulpflegepräsidenten: «Es ist doch nur lächerlich. Ich hab kein Anwaltsstudium oder Doktortitel, aber ich kann selber reden. Für das braucht man aber Eier.» Nun, wirklich Eier hätte der Mann, wenn er sich – mit Namen – auch offiziell an die Schulpflege und an den Gemeinderat wenden würde.

Meine Botschaft an die vielen anonymen Briefschreibenden: Ich habe Verständnis für jede einzelne Lage und ich schätze das Vertrauen, das man uns als Medienunternehmen entgegenbringt. Letztendlich kommt man aber nicht um den direkten Dialog herum, wenn man nachhaltig etwas bewegen möchte. Wenden Sie sich sachlich und dokumentiert direkt an die angeklagten Stellen und setzen Sie den Gemeinderat Gossau in Kopie.

Es braucht Mut, hinzustehen. Ich wünsche den Betroffenen, dass sie diesen Mut aufbringen können. Vielleicht fällt es ja leichter, sich in einer Gruppe zu formieren und gemeinsam für die Anliegen einzustehen, so wie das auch die Elternmitwirkung vorbildlich getan hat.

Neben der Schulpflege steht meines Erachtens aber auch der Gemeinderat der Einheitsgemeinde Gossau in der Pflicht, genau hinzuschauen, Stellung zu beziehen – und zu handeln. Für die Schulkinder von Gossau. Für die Wiederherstellung des angeschlagenen Images der Schule Gossau als Arbeitgeberin. Für eine Schule, wo es wieder um die Kinder geht und die Energien nicht für Führungsfragen und Prozesse verpuffen.

Barbara Tudor