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Gossau ZH
08.07.2024
25.08.2024 10:58 Uhr

Schulpflege Gossau: «Wir haben einige Herausforderungen zu meistern»

Am Schulhaus Rooswis soll die Bildung der Kinder gefährdet sein.
Am Schulhaus Rooswis soll die Bildung der Kinder gefährdet sein. Bild: Schule Gossau ZH
Die Elternmitwirkungen der Gemeinde Gossau ZH haben sich besorgt mit einem Brief an die Schulpflege gewandt. Darin ist von schwerwiegenden Problemen auf mehreren Ebenen die Rede. Schulpflegepräsident Patrick Umbach nimmt Stellung.

In der Gemeinde Gossau ZH gibt es eine institutionalisierte Elternmitwirkung (EMW), die eine Schnittstelle zwischen den Eltern und den Lehrpersonen sowie der Schulleitung darstellt. Vor allem aber geht es beim EMW darum, die Interessen der Kinder und Jugendlichen zu vertreten, für ein gutes Klassenklima zu sorgen, «Stimmungsfühler» zu sein und das schulische Umfeld aktiv mitzugestalten. Sämtliche Mitglieder der EMW arbeiten ehrenamtlich. Es sind meist Eltern, die selbst schulpflichtige Kinder in der Gemeinde haben.

Besorgte Eltern, besorgte EMW

Die Vorstände dieser Elternmitwirkungen (EMW) sehen sich offenbar vermehrt mit Anfragen besorgter Eltern konfrontiert, wie sie vor kurzem in einem Brief an die Eltern und Erziehungsberechtigten formulierten. Dabei gehe es v.a. um Fragen zum Thema Führung, Strukturen und Personalfluktuation an der Schule Gossau ZH.

Anfang Juni 2024 haben sich die Vorstände der Elternmitwirkungen Gossau Dorf, Bertschikon, Ottikon-Herschmettlen und Grüt mit einem gemeinsamen Brief an die Schulpflege gewandt und um ein Treffen gebeten. Der Inhalt des Briefes, der dieser Redaktion vorliegt, gibt zu denken. Da ist von einer sehr hohen Belastung der Schulleitungen die Rede, von Führungsproblemen und Prozessunklarheiten. In einem der Schulhäuser soll sogar die Bildung der Kinder gefährdet sein (wir berichteten).

Ein Austausch zwischen den EMW, der Schulpflege und der Schulverwaltung hat inzwischen stattgefunden. Dabei soll die Schulpflege Verbesserungen im Bereich der Betriebskultur versprochen haben. Die im Nachgang von den EMW eingereichten Verbesserungsvorschläge wolle die Schulpflege prüfen.

Zürioberland24 hat beim Schulpflegepräsident, Patrick Umbach, nachgefragt.

Die Elternmitwirkungen sprechen von sehr hohen Belastungen der Schulleitungen und von Schwierigkeiten auf Führungsebene. In einem anonymen Brief von einer Lehrperson ist u.a. die Rede von einer ungesunden Atmosphäre. Ähnliches beschrieb die Lehrerschaft der Oberstufe Berg neulich in ihrem Brief. Was sagen Sie dazu?

Patrick Umbach: Sie sprechen diverse Themen aus verschiedenen Quellen an. Es würde den Rahmen sprengen, auf jeden der genannten Aspekte einzeln einzugehen. Wir können aber zusammenfassend bestätigen, dass Schulpflege und Schulleitung kurz- und mittelfristig einige Herausforderungen zu meistern haben. Eine interne, im Kreise der Lehrpersonen anonym durchgeführte Umfrage zur Evaluation des Schulprogramms schält einige Kritikpunkte heraus: Die Optimierung der schulbetrieblichen Prozesse und der internen Kommunikation stehen dabei im Fokus. Wir nehmen diese Rückmeldungen sehr ernst und setzen uns damit auseinander.

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die kantonale Fachstelle für Schulbeurteilung ebenfalls kürzlich eine offizielle Evaluation durchgeführt hat und unserer Schule gesamthaft ein ansprechendes Zeugnis ausstellt. Die Berichte für die Primar- und die Sekundarschule werden in den nächsten Tagen auf unserer Schulwebseite aufgeschaltet.

Das Zusammenführen dieser internen und externen Bewertungen und Wahrnehmungen bildet für uns als Schulpflege die Basis, die richtigen Schlüsse zu ziehen und dort, wo nötig, Verbesserungen anzustossen.

«Dass die stetigen Wechsel belastend sind für Schulkinder und Eltern, können wir vorbehaltlos nachvollziehen. Die Schulleitung setzt alles daran, hier wieder mehr Kontinuität herstellen zu können.»
Patrick Umbach, Präsident Schulpflege Gossau ZH

Die EMW sprechen von einer sehr hohen Fluktuation. Können Sie diese beziffern?

An unserer Schule sind aktuell sechs Schulleitende angestellt. Drei davon werden nächstes Schuljahr ersetzt werden müssen. Rein zahlenmässig betrachtet ist das eine überdurchschnittlich hohe Fluktuationsrate von 50 Prozent. Allerdings gilt es, dies sogleich zu relativieren. Zwei der drei Neubesetzungen erfolgen altersbedingt, also infolge Pensionierung, und die Nachfolgerin bzw. der Nachfolger konnten bereits rekrutiert werden.

Die EMW sprechen bezüglich Schulhaus Rooswis gar von einer Situation, welche die Bildung der Kinder gefährde. Was sagen Sie dazu?

Die Situation im Schulhaus Rooswis, wo im Schuljahr 2023/24 sechs Primarschulklassen geführt wurden, ist seit zwei Jahren tatsächlich unbefriedigend. Es gab in den letzten zwei Schuljahren eine Anhäufung von Abgängen – aus unterschiedlichen Gründen: Stellenwechsel, Pensionierung, Langzeitkrankheit, Mutterschaft.

Die Schulleitung bekam den Lehrkräftemangel zu spüren und musste Stellen notgedrungen mit Vikarinnen und Vikaren besetzen. Und auch diese sind heute in den meisten Fällen nur kurzfristig verfügbar. Dass die stetigen Wechsel belastend sind für Schulkinder und Eltern, können wir vorbehaltlos nachvollziehen. Die Schulleitung setzt alles daran, hier wieder mehr Kontinuität herstellen zu können. Die Personalsituation ist und bleibt für alle Schulgemeinden herausfordernd.

Die Schaffung der Stelle «Leitung Bildung» ist eines der Legislaturziele 2022–2026. Welche konkreten Vorteile sehen Sie in dieser Stelle?

Das Aufgabenspektrum der Schulleitungen ist über die Jahre hinweg immer komplexer und umfangreicher geworden. Die Leitung Bildung agiert als Schnittstelle zwischen der strategischen und operativen Führung. Dadurch werden die Schulleitungen entlastet. Sie können sich wieder verstärkt auf ihre Kernaufgabe – die Führung des eigentlichen Schulbetriebs – konzentrieren. Davon profitieren alle.

Fast zwei Jahre seit der Definition dieses Ziels ist die Stelle noch nicht geschaffen. Wie ist der Stand?

Das Geschäft liegt im Fahrplan. Die Einführung einer Leitung Bildung bedarf einer Änderung der Gemeindeordnung, unterliegt also der Urnenabstimmung. Diese wird aller Voraussicht nach im 2025 stattfinden. Vorgesehen ist, die Leitung Bildung spätestens auf den Beginn des Schuljahres 2026/27 hin zu installieren.

Die EMW schlagen u.a. den Einsatz von externen Coaches für die Schulleitungen vor. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Mit der Elternmitwirkung stehen wir in einem konstruktiven Austausch. Ihre engagierte Mitarbeit ist für uns wertvoll. Wir haben verschiedene Anregungen und Empfehlungen entgegengenommen, welche wir nun sorgfältig prüfen werden.

Gemäss EMW wollen Sie nach dem Austausch nun Verbesserungen im Bereich der Betriebskultur herbeiführen. Wie?

Es sind verschiedene Elemente, welche die Basis für eine gute Betriebskultur bilden. Dazu gehören zeitgemässe Strukturen, darauf ausgerichtete betriebliche Abläufe und eine transparente Kommunikation. Die Schulpflege ist mit Hochdruck daran, Verbesserungspotenzial zu orten und Massnahmen einzuleiten. Ziel dabei war, ist und bleibt es, den Gossauer Schulkindern das bestmögliche Lernumfeld bieten zu können.

«Die kantonale Fachstelle für Schulbeurteilung stellt unserer Schule ein insgesamt ansprechendes Zeugnis aus.»
Patrick Umbach

Kürzlich wurde eine anonyme Mitarbeiterbefragung an der Schule durchgeführt. Liegen die Ergebnisse mittlerweile vor?

Ja, die Ergebnisse liegen vor und werden jetzt durch Schulpflege und Schulleitungen gründlich analysiert. Die Umfrage liefert uns wichtige Anhaltspunkte. Allerdings handelt es sich um ein internes Arbeitspapier mit Inhalten, die durch das Datenschutzgesetz geschützt sind. Die nicht geschützten Teile der Umfrage werden in den kommenden Tagen in geeigneter Form schulintern bekannt gemacht. Selbstverständlich wird die Schulpflege zu gegebener Zeit über die Erkenntnisse der Umfrage und die daraus abgeleiteten Massnahmen informieren.

Offenbar getrauen sich viele Eltern nicht, sich direkt an die Schulpflege und/oder an die Schulverwaltung zu wenden und gelangen stattdessen mit ihren Sorgen an die EMW. Zu gross sei die Angst der Eltern, dass dies negative Auswirkungen auf sie oder auf ihre Kinder haben könnte. Auch Lehrpersonen getrauen sich offenbar nicht, sich offen zu äussern. Das stellt der Schulpflege und der Schulverwaltung kein besonders gutes Zeugnis aus...

Es wäre bedauerlich, wenn dies tatsächlich so wahrgenommen würde. Die Schulpflege ist selbstverständlich offen für Anliegen, sei es von Eltern oder Lehrpersonen. Natürlich existieren klare Laufwege bezüglich der Kommunikation: So sind die Lehrpersonen erste Anlaufstelle für die Anliegen der Eltern, im Bedarfsfall wird die Schulleitung beigezogen. Erst, wenn dann immer noch keine Klärung erfolgen konnte, wird die Schulpflege involviert. Nach unserem Dafürhalten läuft dieses Zusammenspiel gut.

Die Elternmitwirkungen haben der Schulpflege diverse Verbesserungsvorschläge eingereicht. Wie ist das weitere Vorgehen diesbezüglich?

Die von der Elternmitwirkung angesprochenen Themen und Handlungsfelder sind bei uns angekommen. Wir werden uns intensiv damit auseinandersetzen. Und natürlich ist es uns ein Anliegen, weiterhin im Dialog mit der Elternmitwirkung zu bleiben.

Organisatorische und kulturelle Probleme, hohe Fluktuation, unzufriedene Eltern… Das sind viele und grundlegende Herausforderungen. Wie will die Schulpflege das zeitnah in den Griff bekommen?

Die kantonale Fachstelle für Schulbeurteilung hat den Auftrag, Schulen zu durchleuchten und eine unabhängige, fachliche Aussensicht zur Qualität der Bildungsarbeit abzugeben. Dieser Beurteilungsbericht ist gerade eben herausgekommen, und er stellt unserer Schule ein insgesamt ansprechendes Zeugnis aus. Natürlich haben wir Luft nach oben und können und müssen bestimmte Dinge besser machen als bisher. Das wird uns gelingen, indem wir unsere Hausaufgaben machen und unsere Schule – in Zusammenarbeit mit Schulleitungen und Lehrpersonen – kontinuierlich und sachdienlich weiterentwickeln.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Barbara Tudor