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Gossau ZH
24.08.2024
24.09.2024 14:45 Uhr

Schule Gossau: «Es brennt der Baum»

Anonyme Briefe und auch ein IQES-Evaluationsbericht stellen der Schulpflege kein besonders gutes Zeugnis aus.
Anonyme Briefe und auch ein IQES-Evaluationsbericht stellen der Schulpflege kein besonders gutes Zeugnis aus. Bild: AdobeStock
Im Juli 2024 hatte sich die Elternmitwirkung mit Besorgnis an die Schulpflege gewandt. Immer öfter wird diese offenbar von Eltern wie auch von Lehrpersonen kontaktiert, weil sie mit den Zuständen an der Schule oder mit der Schulpflege unzufrieden sind. Seither erreichten uns mehrere anonyme Briefe, die der Schulpflege, allen voran dem Schulpflegepräsidenten, kein gutes Zeugnis ausstellen. Wir haben ihn mit den Vorwürfen konfrontiert.

Die Elternmitwirkungen in der Gemeinde Gossau ZH schlugen im Juli 2024 Alarm. Sie schrieben in einem Brief an die Schulpflege von einer zunehmenden Zahl von besorgten Eltern wie auch von Lehrpersonen, die sich bei ihnen melden. In einem der Schulhäuser soll gar die Bildung der Kinder gefährdet sein.  Daraufhin hatte ein Austausch zwischen Vertretern der Elternmitwirkungen und der Schulpflege stattgefunden. Schulpräsident Patrick Umbach nahm im Juli Stellung (wir berichteten ausführlich – siehe Info-Box).

Anonyme Schreiben an die Redaktion

Seit den Berichten über die Sorgen der Elternmitwirkungen und der Stellungnahme von Patrick Umbach, haben uns mehrere anonyme Schreiben von Lehrpersonen und Eltern erreicht, die aufhorchen lassen. Ausnahmslos alle kritisieren die Führung, insbesondere das Verhalten von Schulpflegepräsident Patrick Umbach.

Umfrage zeigt: Lehrer sind unzufrieden mit Führung

Vor wenigen Tagen erreichte unsere Redaktion, ebenfalls anonym, der 42-seitige IQES-Ergebnisbericht aus einer Umfrage bei den Lehrpersonen. Auch darin wird deutlich: Die Lehrpersonen sind höchst unzufrieden mit der Führung, auch mit dem Schulpflegepräsidenten.

Gemäss dieser Umfrage ist der Leitsatz «Wir handeln und kommunizieren transparent und verlässlich» am wenigsten spürbar. In den seitenlangen freien Kommentaren ist oft von schwieriger oder gar schlechter Kommunikation die Rede. Bei der Frage zur Schulführung und ob die Trennung zwischen strategischen und operativen Aufgaben geregelt ist, sagen 61 % der Lehrpersonen «trifft nicht zu». Auch die Frage, ob die Schulpflege nahbar sei, beantworteten 51 % mit «trifft nicht zu». 39 % finden auch, dass die Führungsstrukturen pädagogische Zielsetzungen nicht unterstützen.

Ziele von Kandidatur kaum erreicht

Diese Ergebnisse laufen diametral zu den Zielen, welche Patrick Umbach im Jahr 2022 bei seiner Kandidatur zum Schulpflegepräsidenten angegeben hatte. Damals formulierte er im Interview mit der Gossauer Post drei wesentliche Ziele: 1. Etablierung und Organisation zur Bewältigung von grösseren und kleineren Krisen, 2. Überarbeitung des Kommunikationskonzepts im Hinblick auf eine proaktivere Kommunikation, 3. Entlastung der Schulleitungen und Lehrpersonen von Aufgaben, die nicht notwendigerweise durch diese wahrgenommen werden müssen, damit Schulleitungen und Lehrpersonen wieder mehr Zeit für alle Schüler haben.

In einem anderen Beitrag auf Zürioberland24 bezeichnete er die bisherige Schulpflege als zu passiv. Er wollte sich deshalb für eine offenere Kommunikation, eine bessere Zugänglichkeit und ein grösseres «Dienstleister-Bewusstsein» bei Schulpflege und Schulverwaltung einsetzen.

Aufgrund der anonymen Schreiben und der Informationen im IQES-Evaluationsbericht, haben wir Schulpräsident Patrick Umbach mit einigen Aussagen aus den anonymen Briefen und dem Evaluationsbericht konfrontiert. Die Vorwürfe wiegen teilweise schwer. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes geben wir nur einen Teil der anonymen Aussagen wieder.

Herr Umbach, die Angst von Lehrpersonen ist offenbar gross, wenn sie sich anonym an die Presse wenden. Neulich haben Sie im Interview beteuert, dass die Schulpflege offen für Anliegen sei. Auch im Wahlkampf war die Kommunikation Ihr Steckenpferd. Die Meldungen und auch der Evaluationsbericht sprechen aber eine andere Sprache. Was ging in Ihnen vor, als Sie diese Kommentare gelesen haben?

Ich bedaure sehr, dass die Kritik und die Wahrnehmungen anonym an die Öffentlichkeit getragen werden. Eine Einordnung der Sachverhalte ist so kaum möglich und eine Stellungnahme entsprechend undankbar und schwierig. Ich kann an dieser Stelle darum nur noch einmal wiederholen: Die Schulpflege ist offen für Anliegen und hat bereits aktiv den Dialog mit den Teams aufgenommen; an drei Terminen anfangs September holen wir die konkreten Kritikpunkte ab.

«Aus Angst vor Herrn Umbach, der bereits vielen Leuten an der Schule Gossau rechtlich mit seinen vielen Paragraphen gedroht und Mundkörbe verpasst hat, kann ich leider meinen Namen nicht schreiben.»
anonym

Die Kritik an Ihnen als Person ist massiv. Es ist u.a. von Macht, Arroganz, Demontage und gar Entwürdigung die Rede. Auch im Evaluationsbericht hagelt es Kritik an Ihnen als Führungsperson. Was sagen Sie dazu?

Das sind happige Vorwürfe, ja. Weil ich nicht weiss, von wem sie stammen, bleibt mir im Moment nichts anderes übrig, als sie zur Kenntnis zu nehmen.

Ich würde von mir selbst sagen, dass ich eine klare Führungslinie verfolge, sachorientiert handle und mich nicht scheue, unpopuläre Themen anzusprechen und auch Entscheidungen in diesen Themen herbeizuführen. Wesentliche Entscheidungen, wie zum Beispiel der Aufbau des Kompetenzzentrums Sonderpädagogik, die angestrebte Einführung einer Leitung Bildung oder die definitive Leistungsbeurteilung der Schulleitungen werden stets kollektiv, im gesamten Gremium getroffen.

Die Schulpflege nimmt die Rückmeldungen aber auf jeden Fall ernst. Uns ist es wichtig, uns vertieft mit den verschiedenen Haltungen auseinanderzusetzen und einzelne Kritikpunkte besser zu verstehen. Im Juli hatten wir den Lehrpersonen die Ergebnisse aus der anonymen Umfrage präsentiert und dabei drei Termine für eine Nachbearbeitung angeboten. So finden im September drei Gesprächsrunden statt, an denen sich Lehrpersonen und Schulpflege direkt austauschen können. Ich hoffe, die Gelegenheit wird rege genutzt. Denn nur der offene und gemeinsame Dialog kann helfen, Wahrnehmungen zu verstehen und Verbesserungen aufzugleisen.

Was sagen Sie zum Vorwurf, Sie würden Mitarbeitenden drohen und ihnen Maulkörbe verpassen?

Ich weiss nicht, worauf dieser Vorwurf beruht. Ich weise ihn zurück.

«Verdiente Lehrpersonen werden mit Aktennotizen und ungenügenden Beurteilungen und Drohungen dazu gedrängt, dass sie kündigen. Wie kann Herr Umbach, ein Laie, solche pädagogischen Beurteilungen überhaupt durchführen?»
anonym

Was sagen Sie zum Vorwurf, dass Sie ein Laie seien und gar keine pädagogischen Beurteilungen vornehmen könnten?

Das ist in dem Sinne richtig, als dass die Schulpflege für die Beurteilung der Schulleitungen zuständig ist und mir die Vorbereitung obliegt. Das ist im Kanton Zürich so vorgesehen und entspricht den Richtlinien der Bildungsdirektion. Und ja, Schulpflegemitglieder sind Milizler und meist nicht vom Fach. Das bedeutet aber nicht, dass man die Leistungen eines Mitarbeitenden deswegen nicht beurteilen kann. Die Schulpflege nimmt ja auch keine pädagogischen Bewertungen vor. Themen in diesen Beurteilungsgesprächen sind das Führungsverhalten, das Verhalten als Mitglieder der Schulgemeinschaft, die Mitarbeit im Kollegium oder die Überprüfung der Zielerreichung.

«Seit Patrick Umbach das Zepter von Kathrin Schlegel übernommen hat, brennt hier nur noch der Baum.»
anonym

Ihnen wird u.a. vorgeworfen, einen «unglaublichen Schaden» angerichtet zu haben. Sie werden das sicherlich anders sehen. Darum die umgekehrte Frage: Was haben Sie, seit Sie im Amt sind, konkret verbessert?

Die zentrale Aufgabe der Schulpflege ist es, Rahmenbedingungen zu gewährleisten, die ein gutes und gesundes Lernumfeld ermöglichen. Ich bin angetreten, um mit der Schulpflege zusammen die Schule kontinuierlich strategisch weiterzuentwickeln. Hier waren und sind wir aktiv. Konkret haben wir ein Kompetenzzentrum Sonderpädagogik aufgebaut und implementiert. Dadurch werden die Abläufe im anspruchsvollen Bereich der Sonderpädagogik professionalisiert, was sowohl die Schulleitungen als auch die Lehrpersonen entlastet. Ein weiteres bedeutendes Projekt ist die geplante Einführung einer Leitung Bildung. Das Geschäft liegt im Fahrplan. Vorgesehen ist, diese neue Stelle auf Beginn des Schuljahres 2026/27 einführen zu können.

«... Beim Schulhaus Rooswis gibt es nebst den erwähnten Themen noch ein drittes Thema: Gewalttoleranz bzw. Nichtstun trotz einem gewalttätigen Kind und unzähligen Meldungen dazu.»
anonym

In einem anonymen Schreiben ist von Gewalttoleranz am Rooswis die Rede. Stimmt es, dass es diverse Meldungen wegen eines gewalttätigen Kindes gab? Um welche Art von Gewalt handelte es sich und was hat die Schule dagegen unternommen?

In Bezug auf Gewalt oder Mobbing gilt an unserer Schule eine Nulltoleranz. Alle unsere Schulleitungen und Lehrpersonen sind auf das Thema sensibilisiert. Und trotzdem lässt es sich leider nicht verhindern, dass es zu einem Vorfall von Gewalt kommen kann. Ich kann mich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht zu einzelnen Ereignissen äussern. Aber ich kann betonen, dass unsere Mitarbeitenden wachsam sind und jeweils rasch intervenieren.

«Ich gebe schon lange Schule, aber einen so aufgeblasenen administrativen Wagen wie die Schule Gossau habe ich noch nie erlebt.»
anonym

Was sagen Sie zur Kritik, dass die Schule Gossau administrativ aufgeblasen sei?

Ich teile diese Einschätzung nicht. Wir arbeiten effizient und verfügen über jene Personalressourcen, die es braucht, um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.

«Er und Wohlwend fahren die Schule seit seiner Ankunft an die Wand. Ihm geht es nur darum, dass er gut dasteht und in den Kantonsrat oder das Gemeindepräsidium haben kann.»
anonym

Haben Sie Ambitionen für die nächsten Kantonsratswahlen bzw. fürs Gemeindepräsidium?

Nein.

«Sollte es so weitergehen, wird es im nächsten Jahr Massenkündigungen geben.»
anonym

Gemäss IQES-Umfrage ist der Leitsatz «Wir handeln und kommunizieren transparent und verlässlich» am wenigsten spürbar. In den freien Kommentaren der Lehrpersonen ist oft von schwieriger oder gar schlechter Kommunikation die Rede. Sie haben in Ihrem Wahlkampf ums Amt fürs Schulpräsidium betont, dass Sie die Kommunikation verbessern wollen. Das ist Ihnen offenbar bislang nicht gelungen. Mit welchen konkreten Massnahmen wollen Sie – will die Schulpflege – dies künftig verbessern?

Die Kommunikation schneidet in der internen Umfrage tatsächlich nicht gut ab. Da gibt es nichts schönzureden. Wir haben das Thema im Fokus und bemühen uns, Verbesserungen zu erzielen. Das gelingt, wenn Schulpflege, Schulleitungen und Lehrpersonen offen aufeinander zugehen.

«Ich melde mich, weil ich die Scheisse nicht mehr mitmache. Jetzt müssen wir wieder zu einem Gespräch antanzen, nur weil eine Evaluation schlecht rausgekommen ist. Das Resultat ist klar: Die Lehrpersonen sind nicht zufrieden mit der Schulverwaltung und der Schulpflege. Allen voran nicht mit dem arroganten Präsidenten.»
anonym

Bei der Frage zur Schulführung und ob die Trennung zwischen strategischen und operativen Aufgaben geregelt ist, sagen 61 %, dass das nicht zutreffe. Auch die Frage, ob die Schulpflege nahbar sei, beantwortete die Mehrheit mit «trifft nicht zu». 39 % finden auch, dass die Führungsstrukturen pädagogische Zielsetzungen nicht unterstützen. Was sagen Sie dazu?

Die Umfrageergebnisse liefern uns wertvolle Anhaltspunkte. Teilweise können wir die durchzogenen Werte nachvollziehen, teilweise auch (noch) nicht. Auch hier gilt: Ein offener Dialog bildet die Basis, Probleme anzusprechen und die richtigen Massnahmen abzuleiten. Ich erhoffe mir, dass die im September stattfindenden Gespräche zwischen Lehrpersonen und Schulpflege eine Art Initialzündung für einen gemeinsamen Entwicklungsprozess bilden werden.

«Es hat mich krankgemacht, von der Schulpflege dauernd im Stich gelassen zu werden.»
anonym

Die anonymen Briefe, die diversen Kommentare im Evaluationsbericht… Das sind keine Meldungen von Einzelpersonen mehr. Nimmt die Schulpflege die Rückmeldungen aus dem Evaluationsbericht ernst? Was sind die konkreten Massnahmen?

Wie gesagt: Wir nehmen die Rückmeldungen ernst und stellen uns der Kritik. Die konkreten Massnahmen werden wir unter Einbezug aller Beteiligten definieren.

Stimmt es, dass Sie einen Schulleiter beschuldigen, unserer Redaktion Informationen zugespielt zu haben und ihm deswegen mit der Kündigung drohen?

Eine etwas gar abenteuerliche Frage. Sie werden verstehen, dass ich zu personalrechtlichen Fragen grundsätzlich keine öffentliche Auskunft geben darf und will.

Anmerkung der Redaktion: Der Schulleiter hatte unsere Redaktion vergangene Woche kontaktiert und uns gebeten, schriftlich zu bestätigen, dass wir keinen Kontakt hatten. Selbstverständlich haben wir dies bestätigt, weil es keinen Kontakt gab. Weder wir haben diese Person kontaktiert, noch hatte er uns kontaktiert. Der letzte Kontakt mit diesem Schulleiter fand im September 2023 im Rahmen eines Zeitungsartikels statt.

Das Interview mit Herrn Umbach wurde schriftlich geführt.

Barbara Tudor