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Leserbrief
Gossau ZH
31.10.2024

«Die Schulpflege hat es geschafft, einen weiteren engagierten Schulleiter zu verlieren»

Bild: ZO24
Annamaria Honos-Lang, Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern in Gossau, äussert sich in einem Leserbrief zur Situation an der Schule Gossau.

Liebe Leserschaft

Mit grossem Bedauern haben wir Eltern von der fristlosen Kündigung des sehr geschätzten Schulleiters der Schulhäuser Chapf und Schönbüel (Herschmettlen) Kenntnis genommen. Als Elternteil macht es mich traurig zu sehen, was in der Gemeinde Gossau seit mehreren Monaten geschieht.

Zuerst die Kündigung des Sekundarschulleiters nach einer schlechten Beurteilung durch den Präsidenten, dann die Veröffentlichung des von 140 Lehrpersonen ausgefüllten Evaluationsberichtes, die die Arbeit der Schulpflege in Frage stellt. Dann mehrere Zeitungsartikel, die andeuteten, es habe Bestrebungen gegeben, den Schulleiter zu entfernen. In einem dieser Berichte wurde sogar auf veröffentlichte WhatsApp-Nachrichten verwiesen. Und was ist passiert? Nichts. Es wird geschwiegen und die versprochene Transparenz bleibt aus.

Man versteckt sich hinter dem potenziellen Persönlichkeitsschutz und hinter Aussagen, wie die Bewertung der Stimmung nur die Frage der persönlichen Wahrnehmung sei.  (Artikel im Zürcher Oberländer vom 29. Oktober 2024).

Selbstverständlich erwarten die Eltern nicht die Offenlegung von sensitiven Daten, jedoch löst diese Aussage bei mir als Mutter weitere Verzweiflung und Vertrauensverlust aus. Im Speziellen, dass die Schulpflege die Evaluation, also die Meinung der Lehrpersonen, nicht ernst nimmt und sich tatsächlich für das Wohl der Kinder einsetzt.

Hinzu kommt ein grosses Erstaunen darüber, dass der Gemeinderat in seiner Stellungnahme gegenüber Zürioberland24 nur sein Bedauern über die an die Öffentlichkeit gelangten Informationen ausspricht, sich jedoch mit keiner Silbe dazu äussert, dass eine grosse Besorgnis über die potentiellen Geschehnisse vorherrscht und sich vor Massnahmen durch den Gemeinderat freispricht, da «die Schulpflege eine Kommission mit eigenständigen Verwaltungsbefugnissen» ist.

Meines Erachtens wäre aber, nach all den zahlreichen anonymen und nicht anonymen Aussagen in den Medien sowie dem aussagekräftigen Evaluationsbericht zwingend notwendig, dass der Gemeinderat eine unabhängige und parteilose Untersuchung mit folgenden zu klärenden Punkten anordnet: 

  • Liegt ein Mobbing-Fall vor?
  • Wurde eine Schriftprobe von der Schulpflege veranlasst und ist dies gesetzlich zulässig?
  • Wurde die Mitarbeiterbeurteilung der Schulleiter faktenbasiert und wahrheitsgetreu erstellt?
  • Agiert die Schulpflege innerhalb ihres Kompetenzbereichs in den Schulalltagen?
  • Ist so einer in der Gemeinde Gossau überhaupt klar definiert und wenn ja, bedarf es einer Anpassung?
  • Haben die Lehrer tatsächlich Angst vor der Schulpflege? Wird ihnen gedroht?
  • Wieviel kostet uns Steuerzahlern der ständige Wechsel von Schulleitern? Rekrutierungskosten, Kosten externer Interim Schulleiter, Anwaltskosten, Entschädigungen, etc.? (siehe Fakten am Ende)

In meinen Augen hat die Schulpflege es geschafft, einen weiteren engagierten Schulleiter zu verlieren. Und dies mit dem vollen Bewusstsein, dass die Kinder am Ende die Leidtragenden sind. Es wäre fatal, wenn dieser Schulleiter sich nicht wehren würde, einerseits um für Aufklärung zu sorgen und andererseits auch für seine Reputation. Somit wird jetzt vermutlich ein jahrelanger Rechtsstreit in die Wege geleitet, welcher wiederum von den Steuerzahlern getragen wird und von der Schulpflege nicht verhindert wurde.

Es ist bezeichnend, dass die Schulpflege anscheinend nichts aus dem Fall der entlassenen Lehrperson «Frau D.» gelernt zu hat, als man ihr aufgrund einer ungerechtfertigten Kündigung gemäss Entscheid der Bildungsdirektion eine Entschädigung von weit über 100'000 Franken auszahlen musste.

Die Frage stellt sich: Werden bei diesen Entscheidungen die Interessen der Steuerzahler und der Kinder berücksichtigt?Oder fällt dies auch unter die sogenannten «Nebengeräusche», welche durch die strategische Weiterentwicklung der Schulpflege ausgelösten Veränderungen, die gemäss dem Schulpflegepräsidenten zu dem Prozess gehören? (Artikel im Zürcher Oberländer vom 29. Oktober 2024)

Durch den besagten Schulleiter war zum ersten Mal nach langer Zeit wieder ein Schulleiter im Schulhaus Schönbüel spürbar präsent, welcher sich für die Anliegen der Schule einsetzte und welcher nach der ausserterminlichen Kündigung von drei Lehrpersonen alles gab, um den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten. Trotz der vielen Krisen hat er stets dafür gesorgt, dass alles weiterhin funktionierte. Er hat uns Eltern in den Aufbau des neuen Schulprogramms einbezogen und uns eine Stimme gegeben – nicht selbstverständlich und von vielen daher umso mehr geschätzt.

Im Namen vieler Eltern möchte ich mich von Herzen bei ihm für sein unermüdliches Engagement und seine Hingabe für die Schülerinnen und Schüler in Gossau bedanken. Viele Eltern und Kinder werden ihn mit seiner positiven und herzlichen Art sehr vermissen. Ihm ging es, zumindest aus der Wahrnehmung von uns Eltern und Kindern, immer nur um das Wohl der Kinder – und um nichts anderes. Wir Eltern, und vermutlich auch die Lehrpersonen, hoffen, dass er entweder zurückkehren kann oder man sich zumindest fair trennt und er gebührend verabschiedet wird.

Vermerk: Ein durch die Eltern privat organisierter Abschiedsanlass wird am 7. November im Kirchengemeindehaus von 17 bis 20 Uhr stattfinden. Alle, die sich von ihm verabschieden möchten, sind gerne willkommen.

Wir Eltern wünschen ihm alles erdenklich Gute und hoffen, dass er an seinem nächsten beruflichen Ort die Wertschätzung erhält, die er wirklich verdient. Auch ist ihm zu wünschen, dass er nie wieder Nachrichten erhält, dass es «Personen gibt, die ihn loswerden wollen!», wie in einer medialen Nachricht, welche ein Schulpflegmitglied geschickt hat, ersichtlich wird.

Zur Faktenlage: 

  • In den letzten 6 Jahren hatte es 23 Schulleitungen in Gossau ZH. Von diesen 23 Schulleitern in sechs Jahren sind 13 Personen seit der Amtszeit, in gut zwei Jahren, der neuen Schulpflege begrüsst oder verabschiedet worden. Zwei weitere fixe Besetzungen stehen zudem aufgrund der Handlungen der Schulpflege noch aus.
  • Nun wurde der letzte erfahrene Schulleiter im Oktober freigestellt, und derzeit arbeiten zwei Schulleiter in Ausbildung an der Primarschule Gossau. Die Fluktuation in der Schulleitung betrug von 2019 bis 2024 insgesamt 23,33 %. Bei vier Schulleitern bedeutet das, dass jedes Jahr eine neue Person im Team ist. Dies wirft Fragen zur Kontinuität auf. (Quelle: Protokoll Gemeindeversammlung 9. Sept. 24) 

Um einen Klassiker zu zitieren: «Es muss jemand nicht Koch sein, um zu merken, dass eine Suppe versalzen ist.» (Claudio Zanetti, Artikel «Schule Gossau: Stösst die Miliz an ihre Grenzen?»)

Ich bin auch kein Koch, aber diese «Suppe» scheint mir nicht nur versalzen zu sein, sondern auch das Mindesthaltbarkeitsdatum längst überschritten zu haben.

An die Eltern – Seid mutig und nutzt eure Stimme, um für mehr Transparenz einzutreten. Nur so können wir etwas zum Wohle unserer Kinder verändern. Eine günstige Gelegenheit bietet die Teilnahme an der Gemeindeversammlung vom 18. November 2024, um für unsere Interessen als Steuerzahler, aber vor allem für unsere Zukunft, die Kinder, einzustehen.

Besorgte Grüsse
Annamaria Honos-Lang, Mutter von zwei Primarschulkindern

Annamaria Honos-Lang, Gossau ZH