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Gossau ZH
18.11.2025
18.11.2025 22:28 Uhr

Der BZO die Flügel gestutzt

An der Gemeindeversammlung vom 17. November wurden drei Geschäfte behandelt.
An der Gemeindeversammlung vom 17. November wurden drei Geschäfte behandelt. Bild: Barbara Tudor
An der Gemeindeversammlung vom 17. November wurden Budget und Schulhaus-Projekt durchgewunken. Der Bau- und Zonenordnung hingegen wurde nur mit markanten Kürzungen zugestimmt.

Der Gossauer Gemeinderat lud am 17. November 2025 zur Gemeindeversammlung ein. Wie gewohnt fand diese in der reformierten Kirche auf dem Berg statt. Mit 244 gezählten Stimmberechtigten war das Gotteshaus gut gefüllt. Auch wenn das, gemessen an den rund 7'150 Stimmberechtigten in Gossau, gerade einmal 3 Prozent entspricht.

Umnutzung Turnhalle Berg 2 gutgeheissen

Als erstes Geschäft stand der Antrag des Gemeinderats an, die Turnhalle Berg 2 künftig für eine «Lernlandschaft» und für Räumlichkeiten der IT-Abteilung der Schule zu nutzen. Die veranschlagten Kosten belaufen sich auf 490'000 Franken.

Gemeinderätin Elisabeth Pflugshaupt erläuterte die Gründe. Es gebe einen steigenden Raumbedarf für die Schule und es würden zusätzliche Zimmer benötigt. Auch benötige die Schulverwaltung, konkret die IT-Abteilung, zusätzliche Büro- und Lagerräume.

Man habe verschiedene Varianten geprüft und Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben. Doch andere Lösungen wären teurer geworden, «viel, viel teurer», betonte Pflugshaupt. Mit der alten Turnhalle könne man, da sie unter Heimatschutz stehe, nicht viel anderes machen.

Die Turnhalle Berg 2 soll als «Lernatelier» umgenutzt werden, wobei keine festen Installationen geplant seien, sodass man die Halle auch weiterhin anderweitig nutzen könne, z. B. für grössere Anlässe. Neben den einmaligen Kosten von 490'000 Franken fallen jährliche Kosten von gut 37'000 Franken für Betrieb, Personal, Abschreibung und Zinsen an. Die Planung und Realisierung ist für Januar bis Juli 2026 terminiert, die Fertigstellung für August 2026.

«Kosten ausser Rand und Band»

Ein Gossauer Stimmberechtigter, der sich als «traumatisierter Anwohner von der Grütstrasse» vorstellte, was zu Lacher im Saal führte, kritisierte, dass eine Turnhalle mit den hohen Räumen viel zu hohe Heizkosten verursache. Auch fand er, dass 50 m2 für vier Arbeitsplätze der IT-Abteilung sehr grosszügig bemessen seien. Als ehemaliger Abwart vom Schulhaus Berg kenne er die Halle aus dem «Effeff». Er habe sich die Kosten angeschaut. Die Honorarkosten für das Projekt seien «in keinem Verhältnis und ausser Rand und Band», fügte der Mann an.

Er wollte vom Gemeinderat wissen, ob ein solches «Lernatelier» eine Vorgabe von der Bildungsdirektion sei.

Elisabeth Pflugshaupt bestätigte, dass die Räume gross seien, aber dass diese ungenutzt seien. «Es ist luxuriös gross, da hast du Recht», sagte sie geradeheraus. Hätte man das Vorhaben neu geplant, wäre es nicht so gross geworden. «Doch es wäre teurer geworden.» Das sei ein Fakt. Man habe das Bestmögliche herausgeholt. «Mehr ging nicht», sagte Pflugshaupt. Die Architekten hätten sich stark bemüht, um die Kosten im Griff zu halten. Es sei klar, dass man nicht höher gehen dürfe. «In dem Rahmen muss es sein.»

Keine Vorgabe vom Kanton

Die Frage, ob die «Lernlandschaft» eine Vorgabe der Bildungsdirektion sei, beantwortete Schulpflegepräsident und Gemeinderat Patrick Umbach. «Ein Lernatelier ist nicht vorgeschrieben. Aber in der Zeit, in der die Schüler im Lernatelier sind, sind Klassenzimmer frei, die anderweitig genutzt werden können.»

Für ein Lernatelier spreche auch, dass dafür weniger Personalressourcen gebraucht würden. Diese könne man an anderer Stelle einsetzen.

Auf die grosszügigen Räumlichkeiten der IT angesprochen, sagte Umbach, dass der Raum nicht sehr gross sei. Wenn die IT 100 neue Geräte für die Schule aufsetzen müsse, sei der Platzbedarf gross.

Der Mann von der Grütstrasse empfahl dennoch die Ablehnung und die Prüfung einer anderen Umnutzung, um die Gemeindefinanzen zu entlasten. Auch war er der Meinung, dass die Schulverwaltung keine externen Räume bei der Accum hätte mieten sollen, sondern die bestehenden Räume hätte anders nutzen können. Zum Beispiel mit der Nutzung von Fertigelementen für Büros in der Turnhalle Berg 2.

Der Antrag des Herrn wurde abgelehnt, dem Projekt des Gemeinderats mit deutlicher Mehrheit zugestimmt.

Budget 2026 gutgeheissen

Als zweites Geschäft wurde das Budget 2026 behandelt. Nachdem dieses im Vorjahr zu hitzigen Diskussionen führte und nur mit einer deutlichen Reduktion der Kosten, u.a. beim Personal, und der Streichung des «Lutra», gutgeheissen wurde, gab es diesmal nur vereinzelte Wortmeldungen.

Gemeindepräsident Jörg Kündig ging einleitend auf die Zahlen vom laufenden Jahr ein und dass 2025 mit einem Überschuss von rund 800'000 Franken zu rechnen sei. Dies vor allem aufgrund höherer Erträge bei den Grundstückgewinnsteuern. Höhere Kosten hätten Verwaltung, Bildung, Ergänzungsleistungen, die Pflegefinanzierung und Kosten fürs Bistro im Freibad verursacht.

Man rechne auch im neuen Jahr mit entsprechend hohen Einnahmen, ebenso bei den Steuereinnahmen, die sich stabil zeigen würden. Das Budget 2026 sieht – trotz hohen Investitionen und dem fürs GZO geplanten Kredit über 4,9 Mio. Franken – ein kleines Plus von 137'000 Franken bei unverändertem Steuerfuss von 117 % vor.

Tiefe Selbstfinanzierung

Kündig ging auch auf die Selbstfinanzierung ein, die mit dem geplanten Budget gerade mal noch bei 39 Prozent liegt. Man habe in den vergangenen Jahren aber auch Schulden abbauen können, betonte Kündig.

Es stünden grössere Investitionen an, unter anderem für Unterhalt bei Strassen, Liegenschaften, Schule und natürlich auch wegen der GZO-Kapitaleinlage von 4,9 Mio. Franken, die im Falle einer Zustimmung an der Urne vom 30. November 2025, benötigt würden und im Budget 2026 einberechnet sind. «Würde die Vorlage nicht angenommen, würden die 4,9 Mio. Franken natürlich nicht verwendet», sagte Kündig. Und er betonte, dass die Investitionsplanung eine rollende Planung sei und man diese vorzu betrachte und bei Bedarf anpasse.

RPK weiterhin besorgt

Ihre Unzufriedenheit über den tiefen Selbstfinanzierungsgrad brachte die Rechnungsprüfungskommission (RPK) wie schon im letzten Jahr zum Ausdruck. «Den überproportionalen Anstieg der Kosten beurteilt die RPK negativ», sagte RPK-Präsident Patrick Beetz. Die Gemeinde könne ihre Investitionen in den nächsten Jahren nicht selbst finanzieren, die Verschuldung steige markant an. Die Gemeinde müsse investieren, aber es müssten auch Massnahmen zur Stabilisierung getroffen werden. Trotz allem empfahl die RPK, welche sich zuvor gegen den GZO-Kredit ausgesprochen hatte (wir berichteten), die Annahme des Budgets.

Im Anschluss wandte sich SVP-Präsident Claudio Zanetti an die Versammlung. Er gab zu bedenken, dass die finanzielle Entwicklung der Gemeinde nicht gut sei. Hohe Grundstückgewinnsteuern seien zwar schön, doch eine Gemeinde sollte nicht so stark davon abhängig sein. «Passt auf!», warnte Zanetti. «Wir möchten, dass es den Gossauerinnen und Gossauern gut geht, dass es dem Gewerbe gut geht. Aber wenn man abhängig von Gewinnsteuern ist, wird es gefährlich.» 

Man wolle dem neuen Gemeinderat, der im März 2026 gewählt wird, nun aber keine weiteren Fesseln anlegen. Die kürzlich eingeführte Schuldenbremse werde anspruchsvoll genug sein.

Wieder höhere Personalkosten

Ein anderer Bürger äusserte sich ebenfalls kritisch zum Budget. Vor einem Jahr habe man über die Personalkosten gestritten und eine Senkung von 200'000 Franken gefordert. «Im Budget 2026 sind die Personalkosten nun wieder 600'000 Franken höher. Aber das interessiert heute offenbar niemanden.» Der Gemeinderat äusserte sich zu diesem Kritikpunkt nicht.

Auch waren dem Mann die hohen Beraterkosten von mehreren hunderttausend Franken für externe Honorare und Fachexperten ein Dorn im Auge. Kündig argumentierte, dass man für gewisse Themen nicht die Expertise habe und bei «strukturellen Fragen» externe Unterstützung brauche. Solche Experten hätten ihren Preis. Man gebe das Geld aber nicht leichtfertig aus, so Kündig weiter.

«Keine Luxus-Projekte»

Hinsichtlich des GZO-Kredits gab der Bürger zu bedenken, dass man die Kosten vielleicht verkraften könne, aber dass man diese schnell abbezahlen solle, damit nicht die nächste und übernächste Generation auch noch darunter leiden müsse. Die Gemeinde könne sich keine «Luxuskosten» leisten.

Der Begriff kam beim Gemeindepräsidenten gar nicht gut an. Er meinte: «Luxusprojekte? Haben wir eines? Nicht wirklich.» Das GZO sei sicher kein Luxusprojekt. Wissend, dass er sich mit dieser Äusserung wohl etwas gar fest aus dem Fenster gelehnt hatte, schob Kündig etwas weniger bestimmt nach, dass das Geld nicht verloren sei. Das Aktienkapital am GZO stünde ja dann als Vermögen in den Büchern der Gemeinde.

Nach den Diskussionen kam es zur Abstimmung. Budget und Steuerfuss wurden mit vereinzelten Gegenstimmen angenommen.

BZO zerpflückt

Nachdem die ersten beiden Geschäfte ziemlich problemlos durchgingen, kam nun mit der Teilrevision der Bau- und Zonenordnung (BZO) ein grösserer Brocken auf die Stimmberechtigten zu.

Der für das Projekt zuständige Gemeinderat Daniel Baldenweg warf in seiner ausführlichen Präsentation einen Blick zurück auf die Entwicklung der BZO der letzten Jahre und warum nun eine Teilrevision präsentiert wird.

Ein Grund sind Harmonisierungen von Begriffen, zu denen die Gemeinden verpflichtet sind. Das Ziel der BZO in Gossau sei eine nachhaltige und klimaverträgliche Siedlungsentwicklung und die Aktualisierung der Parkierbestimmungen. Die vorliegende BZO sei moderat und im Vergleich zu den Vorgaben vom Kanton «weniger streng», so Baldenweg. So habe man zum Beispiel die Grünflächenziffer niedriger angesetzt als ursprünglich geplant und nach den diversen Rückmeldungen aus der öffentlichen Auflage auch Baumschutz, Baumförderung und Vorgaben zur naturnahen Umgebungsgestaltung gestrichen.

Diesmal richtig gemacht

Vor einem Jahr wurde eine ähnliche Verordnung, die Polizeiverordnung, an der Gemeindeversammlung behandelt. Diese wurde im Eilzugstempo abgehandelt, der Gemeinderat ging nicht auf die Details ein. Dieses Vorgehen steht derzeit in der Kritik, weil einem neuen Gesetz zugestimmt wurde, von dem die Versammlung gar nichts wusste.

Gemeindepräsident Jörg Kündig wollte es nun mit der BZO wohl besser machen. Er schlug vor, die einzelnen Änderungen gemäss der synoptischen Darstellung durchzugehen. Heisst: Der Vergleich mit den alten und geänderten Gesetzestexten.

Vielleicht hoffte der Gemeinderat, dass das nicht gewünscht wird und man direkt zur Abstimmung schreiten kann. Doch er irrte. Ein Rückweisungsantrag wurde zwar mit 105 zu 94 Stimmen hauchdünn abgelehnt. Aber die Stimmberechtigten entschieden sich für die detaillierte Betrachtung. Mehr noch: Sie tolerierten relevante Punkte in der BZO nicht, ja man könnte fast sagen: Die Versammlung hat der BZO die Flügel gestutzt. Denn im Wesentlichen ist die BZO nach der gestrigen Abstimmung fast die alte geblieben.

Die Harmonisierung der Begriffe wurde problemlos durchgewunken. Nicht so bei der Grünflächenziffer. Ein Stimmberechtigter forderte, die neuen Formulierungen abzulehnen und bei der bestehenden zu bleiben. Dem Antrag stimmten 121 zu 105 Stimmberechtigte zu.

Auch von den Änderungen in Bezug auf die Begrünung nicht begehbarer Terrassen – neu hätten damit z. B. auch Flachdächer mit PV-Anlagen begrünt werden müssen – und von einem generellen Verbot von Stein- und Schottergärten, wollten die Stimmberechtigten ebenfalls nichts wissen. Sie folgten dem Antrag eines Stimmberechtigten, alles beim alten zu lassen, mit 161 Ja- zu 76 Nein-Stimmen deutlich.

Diskussion um Autoabstellplätze

Auch die vorgeschlagene Änderung bezüglich Anzahl Autoabstellplätze und Vorgaben, wo Fahrräder abgestellt werden dürfen, überzeugte die Stimmberechtigten nicht. Ein Mann kritisierte, dass eine «Überbordung von Pflichtparkplätzen» in der heutigen Zeit der Verdichtung ein Unding sei. Man zwinge damit die Eigentümer, mehr Parkplätze zu bauen. Das verursache mehr Kosten für die Eigentümer und auch für die Mieter. Die Regelung sei zudem strenger als die vom Kanton.

Aufgrund der Komplexität und der Anträge musste ein mehrstufiges Abstimmungsverfahren durchgeführt werden, durch das Jörg Kündig die Anwesenden gekonnt leitete.

Letztendlich sprachen sich die Stimmberechtigten auch bei der Frage nach den Parkplätzen und den Fahrrädern für die Anträge der Stimmberechtigten und gegen jene des Gemeinderates aus.

Abschliessend musste die Versammlung über die bereinigte Vorlage abstimmen, die mit grossem Mehr angenommen wurde.

Intensiv, aber wichtig

Die gestrige Gemeindeversammlung machte wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, daran teilzunehmen. Wie bewundernswert es ist, wie Bürger sich aktiv mit Vorlagen und Themen auseinandersetzen, Zeit investieren, um x-seitige Dokumente zu wälzen, nachzuforschen, nachzufragen. Und den Mut haben, ihre Meinungen am Rednerpult zu vertreten. Mit Anstand und Respekt. Ihnen ist es zu verdanken, dass Themen aufs Tapet kommen, dass Dinge hinterfragt und nicht einfach durchgewunken werden.

Denn ohne diese Auseinandersetzung hätte die Versammlung gestern wieder einer Verordnung zugestimmt, die man nicht so wirklich kannte oder verstanden hat – und die man so vielleicht gar nicht wollte.

Gestern wurde aber auch deutlich, dass die Themen teilweise sehr komplex sind und die Menschen damit überfordert sind. Der normale Bürger ist kein Experte in Sachen Baurecht, Zonenordnung oder Grünflächenziffern. Die Aufgabe der Behördenvertreter ist darum auch, Geschäfte so zu erklären, dass der Grossteil sie versteht und vor allem, warum man etwas vorschlägt oder es eine Gesetzesänderung braucht. Die Bürger müssen im Vorfeld über geeignete Kanäle solide informiert werden. Man kann nicht davon ausgehen, dass die Menschen, die an die Gemeindeversammlung kommen, alle die teils 100-seitigen Unterlagen gelesen haben. Die Menschen müssen darauf vertrauen können, dass die gewählten Behördenmitglieder ihren Job auch diesbezüglich gut machen und ihr Bestmögliches geben. Damit die Stimmberechtigten mit gutem Gefühl und Überzeugung die Hand heben oder ein Ja oder Nein in die Urne legen können.

Wo sind die Ortsparteien?

Was mich gestern Abend einmal mehr verwunderte: In Gossau scheint es nur noch eine Partei zu geben, welche sich aktiv einbringt und sich mit den verschiedenen Geschäften auseinandersetzt – die SVP. Wo sind die anderen Ortsparteien? FDP, SP, Die Mitte, EVP und das Politische Frauenpodium? Was sind ihre Haltungen zu den einzelnen Geschäften?

Gerade bei so wichtigen Themen wie dem Budget wären ihre Parolen, vor allem aber ihre Präsenz und ihre Voten, wichtig. Doch bis auf die SVP glänzen sie alle seit geraumer Zeit durch Abwesenheit. So hörte man von ihnen bislang auch wenig bis nichts zur bevorstehenden GZO-Abstimmung. Melden sie sich erst wieder, wenn es um die Erneuerungswahlen geht?

Gemeindeversammlungen mögen zuweilen trocken und langfädig sein und man wäre lieber früher als später zu Hause. Aber es gibt in unserer von Virtualität und digitalen Medien geprägten Welt und der zunehmenden Anonymisierung wohl keine schönere Gelegenheit, die direkte Demokratie zu erleben. Und wenn es dann auch mal einen Lacher im Saal gibt, tut das dem Wir-Gefühl einer Gemeinde auch nicht schlecht. Gossau könnte gerade davon etwas mehr vertragen.

Barbara Tudor
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