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Gossau ZH
12.09.2025
12.09.2025 10:31 Uhr

Gossau verliert sein Indianland-Museum

Vincent Escriba nachdenklich vor einer der unzähligen Vitrinen mit einzigartigen Exponaten.
Vincent Escriba nachdenklich vor einer der unzähligen Vitrinen mit einzigartigen Exponaten. Bild: Barbara Tudor
Nach 30 Jahren schliesst das Indian Land Museum in Gossau ZH Ende Jahr. Damit verliert die Gemeinde nicht nur ein wertvolles Freizeitangebot, sondern die Region auch ein kulturhistorisches Erbe.

Vincent Escriba, der leidenschaftliche Sammler und fundierter Kenner der indigenen Kultur, eröffnete das Indian Land Museum im Jahr 1995. Anfangs im «Accum-Turm» untergebracht, bezog Escriba aufgrund der grossen Nachfrage und wachsenden Sammlung die Räumlichkeiten, wo sich das Museum bis heute befindet – oberhalb der Migros im Zentrum von Gossau ZH.

Von der kindlichen Leidenschaft zum gefragten Experten

Die Geschichte der «Native Americans» fasziniert Escriba seit Kindstagen. «Wie so viele war ich fasziniert von dem Leben der Indianer und natürlich von den amerikanischen Westernfilmen.» Er erinnert sich: «In diesen Filmen waren die Indianer immer die Bösen. Das wollte ich nicht so recht glauben. Ich wollte mehr über sie erfahren und habe angefangen, mich über diese Völker zu informieren. Zuerst kindlich, dann mit zunehmendem Alter immer gezielter.»

1978 reiste Escriba als junger Mann zum ersten Mal nach Amerika. Bei seiner Reise durch Arizona und Mexico lernte er viele indigene Menschen kennen. «Damals ging es vielen von ihnen schlecht. Arbeitslosigkeit und Alkoholismus waren ein grosses Problem. Bei dieser ersten Reise wurde mein Bild, das ich bislang von dem Volk hatte, zerstört. Gleichzeitig war für mich klar, dass ich weiter forschen muss.»

«Als ich diesen sehr alten Mokkasin in meinen Händen hielt, war mir klar: Ich muss mehr darüber erfahren. Da begann meine Suche.»
Vincent Escriba, Besitzer des Indian Land Museum in Gossau ZH

Auf seiner ersten Reise kaufte sich Escriba ein paar Erinnerungsstücke. «Das waren eher touristische Artikel, nichts wirklich Echtes.» Bei einer weiteren Reise in Arizona fand er in einem Laden einen kleinen Mokassin aus dem Jahr 1860. «Als ich diesen kleinen Schuh in meinen Händen hielt, war mir klar: Die Geschichte hat existiert. Ich muss mehr darüber erfahren. Damals begann meine Schatzsuche.» Da begann seine Leidenschaft, nach echten antiken Stücken zu suchen. «Ich war zeitweise dreimal im Jahr in Amerika», erinnert sich Escriba.

Damals, in den 1980er-Jahren ohne Internet, war die Suche nach solchen Exponaten nicht einfach. «Es brauchte Verbindungen, man musste von Ortschaft zu Ortschaft gehen, von Laden zu Laden, sich mit Leuten unterhalten.»

Erste Ausstellung in der Wohnung

Am Anfang bewahrte Escriba seine ersten Sammlerstücke in Vitrinen in seiner Wohnung in Mönchaltorf auf. Das hatte sich schnell herumgesprochen. «Ich wurde von Lehrpersonen angesprochen, ob sie mit ihrer Klasse vorbeikommen dürfen», erzählt Escriba lachend. Er dachte sich: Entweder mache ich das jetzt richtig, oder dann lasse ich es sein.

So erkundigte er sich bei der Gossauer Accum, wo Escriba einst seine KV-Lehre machte, ob er einen Raum mieten könne. Wenig später bezog er Räumlichkeiten im «Accum-Turm». 1995 zog er mit seinem Museum in die deutlich grösseren ehemaligen Accum-Produktionshallen um, wo sich das Museum bis heute befindet.

Weltweit einzigartige Exponate

Über die Jahre wuchs das Museum stetig und Escriba konnte die Sammlung auch durch gezielte Zukäufe von anderen Sammlern laufend ergänzen. So ist über die letzten 40 Jahre und über 50 Reisen durch Amerika diese einzigartige Sammlung entstanden, die man kaum in Worte oder Bilder fassen kann. Man muss sie besucht haben.

Die Ausstellung zeigt eine Vielzahl an sorgfältig arrangierten und dokumentierten Exponaten, die teilweise aus dem 18. Jahrhundert stammen und nirgendwo sonst auf der Welt zu finden sind. Dazu gehören das weltälteste Federhaupt, historische Pfeifen und gut erhaltene Kleidung sowie Original-Waffen, zum Beispiel aus der Schlacht am Little Bighorn im Jahr 1876.

In den vergangenen Jahren wurde das Museum um weitere Themen ergänzt, unter anderem mit einer Ausstellung über die Steinzeit, die einen riesigen Säbelzahntiger enthält, und zuletzt im Jahr 2024 mit der Sonderausstellung über die Nordwestküsten-Indianer.

  • Seit 2022 gehört auch ein Säbelzahntiger zu den Exponaten des Indian Land Museum in Gossau ZH. Bild: zvg
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  • Die Waffenkammer im Indian Land Museum in Gossau ZH zeigt unter anderem berühmte Winchester-Gewehre. Bild: Indian Land Museum
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Unzählige begeisterte Besucher

In den vergangenen 30 Jahren haben unzählige Schulklassen, Vereine, Familien und andere Kulturinteressierte das Museum besucht und konnten einen Einblick in die Welt der indigenen Völker von Amerika gewinnen. «Zwischen 1995 und 2000 hatten wir eine schöne Frequenz im Museum», erinnert sich Escriba. «Damals florierte die Wirtschaft, die Menschen suchten das Besondere. Auch die New-Age-Ströme hatten die Menschen beflügelt und das Interesse an der indigenen Kultur geweckt.»

Umbau und Corona

Einen ersten Einbruch musste das Museum hinnehmen, als es wegen Umbau des Accum-Gebäudes von 2016 bis 2018 schliessen musste. «Das Museum ging in der Zeit vergessen, der Neustart war harzig», erinnert sich Escriba. Auch die Erweiterung um eine beeindruckende Waffenkammer und die Steinzeitausstellung vermochte dem Museum nicht die Besucherzahlen zurückgeben, die es einst hatte. Und dann kam Corona…

«Die indigene Kultur ist real, sie ist echt, sie ist wahr. Sie darf nicht in Vergessenheit geraten!»
Vincent Escriba

Woke-Diskussion und kulturelle Aneignung

Die ganze Woke-Diskussion und die Hysterie um die kulturelle Aneignung halfen auch nicht. Im Gegenteil: «Die Diskussionen um die kulturelle Aneignung haben wir direkt gespürt. Dabei betreiben wir eine wissenschaftlich fundierte Ausstellung. Wir sind hier nicht am ‘indianerle’!»

Dass die Geschichte der Indianer sogar aus den Lehrbüchern der Schule gestrichen worden sei, habe das Ganze noch verschärft. «Heute besuchen uns kaum noch Schulklassen, auch nicht von Gossau.» Mit einer Mischung aus Verärgerung und Besorgnis sagt Escriba: «Die indigene Kultur ist real, sie ist echt, sie ist wahr. Sie darf nicht in Vergessenheit geraten!»

«Es gibt keinen Nachfolger und ich habe auch keine Nachkommen. Es geht einfach nicht mehr.»
Vincent Escriba

«Keinen Franken verdient»

Der ehemalige Aufnahmeleiter und Produzent des Schweizer Fernsehens betrieb die Ausstellung über all die Jahre nebenbei in seiner Freizeit – gemeinsam mit einer Vielzahl an Freiwilligen. «Ich habe mit dem Museum nie einen Franken verdient», betont der inzwischen Pensionierte. Und: «Ohne das grosse Engagement der insgesamt zwanzig freiwilligen Helferinnen und Helfer wäre das alles nicht möglich. Wir haben es nie wegen des Geldes gemacht, sondern weil uns etwas daran liegt, dass diese einzigartige Kultur und Teil der Weltgeschichte erhalten bleibt.»

Hohe Kosten nicht mehr tragbar

Die Gemeinde habe zwar jedes Jahr einen wertvollen Betrag gesprochen und es gebe durch die Mitgliederbeiträge und Spenden von Privaten gewisse Einnahmen. Diese würden jedoch die hohen Miet-, Betriebs- und Versicherungskosten bei weitem nicht decken.

Er habe nichts unversucht gelassen, habe hunderte von Briefen an Stiftungen, Organisationen und Firmen in der ganzen Schweiz geschrieben, ob sie das Museum mit einem Beitrag unterstützen, doch er habe – wenn überhaupt – nur Absagen als Antwort erhalten. Da war für ihn klar: Es geht nicht mehr.

Die Sanierung der Grütstrasse hat dem Museum sozusagen den Todesstoss versetzt: «Die Besucher von ausserhalb bleiben seit Beginn der Bauarbeiten aus, es besuchen uns nur noch vereinzelt ein paar Leute.»

All diese Faktoren und Entwicklungen haben Vincent Escriba zu einem Entscheid geführt, der über die letzten eineinhalb Jahre gereift ist und der ihm sichtlich nahe geht: «Ich habe beschlossen, das Museum per Ende Jahr zu schliessen. Es ist einfach nicht mehr finanzierbar.»

«Am liebsten wäre es mir, wenn die Sammlung am Stück einen neuen Besitzer fände. »
Vincent Escriba

Käufer gesucht

Wie es mit der Sammlung, die gemäss Angaben von Escriba Millionen-Wert hat, weitergeht, ist im Moment noch unklar. «Am liebsten wäre mir, wenn jemand die Ausstellung am Stück übernimmt und weiterführt. Es wäre schade, wenn die Sammlung auseinandergerissen würde.»

Ideal hätte er es gefunden, wenn das Nordamerika Native Museum NONAM in Zürich seine Sammlung übernommen hätte. Vertreter des NONAM seien auch da gewesen und seien beeindruckt gewesen von der Ausstellung. Doch sie hätten kein Budget.

Vor kurzem habe ihn ausserdem eine Delegation von kanadischen Indigenen besucht, die dort ein Museum über ihre Geschichte planen. «Sechs Häuptlinge waren hier. Sie waren beeindruckt und wollten die Ausstellung unbedingt. Doch das Projekt in Kanada steckt noch in den Kinderschuhen. Bis das Museum gebaut ist, wird es noch Jahre dauern. Diese Zeit habe ich nicht.»

Escriba könne sich auch vorstellen, die Sammlung an eine Institution oder an einen privaten Kunstsammler zu verkaufen, der die Exponate zum Beispiel als Leihgabe für Museen zur Verfügung stellt. Gefasst sagt Escriba: «Wenn ich innert nützlicher Frist keinen Käufer für die Sammlung finde, muss ich die Exponate wohl oder übel einzeln verkaufen. Dann werde ich ein Auktionshaus kontaktieren.»

INDIAN LAND MUSEUM

noch bis Ende Dezember 2025 geöffnet

jeden Mittwoch, Samstag und Sonntag
auch während der Schulferien
13–17 Uhr

Gruppen / Führungen auf Anfrage

Im Zentrum 1
8625 Gossau ZH

Telefon 079 328 01 59
> E-Mail
www.indianland.ch

Das Indian Land Museum ist auch während der Bauarbeiten in Gossau Zentrum zugänglich!

Parkplätze im Parkhaus von Migros oder Coop
ÖV: Bushaltestellen Zentrum oder Mitteldorf

Barbara Tudor