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Gossau ZH
01.09.2025

Schuldenbremse: «Die Unterstützung der FDP ist ein starkes Signal»

Mit der Schuldenbremse sollen die Gemeindefinanzen wieder ins Lot kommen. (Symbolbild)
Mit der Schuldenbremse sollen die Gemeindefinanzen wieder ins Lot kommen. (Symbolbild) Bild: AdobeStock
Am 28. September 2025 stimmen die Gossauer über die Einführung einer Schuldenbremse ab. Im Interview erklärt Mitinitiant Claudio Zanetti, Präsident der SVP Gossau ZH, worum es geht und warum die Unterstützung der FDP Gossau wichtig war.

Um die Finanzen der Gemeinde Gossau ZH ist es schlecht bestellt. Der Selbstfinanzierungsgrad lag per Ende 2024 bei gerade einmal 47%, und auch das Jahresergebnis sinkt seit 2021 kontinuierlich und hat 2024 einen neuen Tiefstand erreicht.

Im vergangenen November wurde das Budget 2025 der Gemeinde nur mit massiven Kürzungen angenommen. Dazu gehörten u.a. Einsparungen von 250‘000 Franken bei den Personalkosten der Verwaltung. Das ging der SVP Gossau jedoch zu wenig weit. Angesichts der negativen Entwicklung der Gemeindefinanzen, kündigte die SVP Gossau die Einreichung einer Initiative zur Schuldenbremse an. Zur Erarbeitung einer solchen lud die Partei andere Parteien und die Bevölkerung ein, mitzuwirken.

Im Frühjahr 2025 wurde die Initiative zu einer Schuldenbremse eingereicht. Diese ging dem Gemeinderat zu weit, weshalb sie einen Gegenvorschlag ausarbeiteten. Dieser Vorschlag kommt nun am 28. September 2025 zu Abstimmung.

Zürioberland24: Warum hat die SVP Gossau die Einzelinitiative gestartet?

Claudio Zanetti: Angesichts steigender Kosten wie Mieten, Krankenkassenprämien, Energie usw., die den Menschen das Leben erschweren, betrachten wir es als unsere Aufgabe, eine substanzielle und nachhaltige Entlastung herbeizuführen.

Im Bereich der öffentlichen Finanzen haben wir es in der Hand, gemeinsam festzulegen, welche Leistungen wir vom Staat tatsächlich erwarten, und was wir dafür zu zahlen bereit sind.

Was macht euch Sorgen?

Die Finanzlage von Gossau präsentiert sich nicht gerade rosig. Mit einem Steuerfuss von 117% der einfachen Staatssteuer zählt sie zu den teuersten Gemeinden im Kanton Zürich. Im Jahr 2024 wurde gerade einmal ein Selbstfinanzierungsgrad von 47% erreicht. Die Investitionsausgaben können somit nicht vollumfänglich aus den selbst erwirtschafteten Mitteln finanziert werden.

Gleichwohl steigen die Ausgaben, wobei uns vor allem der Anstieg der Personalkosten bei der Gemeindeverwaltung Sorge bereitet. So kann es nicht verwundern, dass die Schuldenkurve steil ansteigt.

Mit rund 12 Millionen Franken macht der Finanzausgleich des Kantons Zürich rund 15% sämtlicher Erträge in Gossau aus. Bedeutsam sind auch die Einnahmen aus der Grundstückgewinnsteuer und die Ausschüttungen der Kantonalbank, die in den vergangenen Jahren regelmässig höher ausfielen als budgetiert. Aber darauf sollten wir nicht bauen.

In den letzten Jahren wurde das Budget auch wegen der Flüchtlingskrise belastet...

Ja. Den Entwicklungen im Sozial- und Asylbereich sind die Gemeinden praktisch wehrlos ausgeliefert ist. Hier müssten auch der Kanton und vor allem der Bund handeln. Die Probleme können nicht auf ewig mit Geld, das wir nicht haben, zugedeckt werden.

Was lief in den vergangenen Jahren falsch?

Ein grosser Anteil des Kostenanstiegs ist sicherlich mit den enormen Herausforderungen im Sozial- uns Asylbereich zu erklären. Andererseits war man in der Vergangenheit im Sinne des Dienstleistungsgedankens allzu gerne bereit, neue Aufgaben zu übernehmen. Man will es gut machen und vergisst dabei die Kosten.

So vermochte mir bisher zum Beispiel noch niemand zu erklären, welchen Nutzen Gossau aus der finanziellen Unterstützung der Rad WM 2024 gezogen haben soll.

Solche Bespiele geben einen Eindruck von dem unserer Meinung nach ungenügenden Kostenbewusstsein innerhalb der Verwaltung.

«Steuererhöhungen dürfen mit der Schuldenbremse nur dann beantragt werden, wenn gleichzeitig Massnahmen zur Kostensenkung in gleicher Höhe aufgezeigt werden.»
Claudio Zanetti, Präsident SVP Gossau ZH

Worum geht es bei der Schuldenbremse?

Der sogenannte Nettoverschuldungsquotient wird bei 70 Prozent festgelegt. Das bedeutet, dass die Nettoschulden der Gemeinde pro Budgetjahr maximal 70 Prozent der budgetierten Steuereinnahmen der natürlichen und juristischen Personen betragen darf. Damit dieser Wert erreicht werden kann, müssen Massnahmen zur Kostensenkung eingeleitet werden, wobei ein Selbstfinanzierungsgrad von 100 Prozent im Budgetjahr zwingend vorgeschrieben ist.

Ergänzend wird ein mittelfristiger Ausgleich der Erfolgsrechnung angestrebt: Über einen Zeitraum von sieben Jahren (vier abgeschlossene Rechnungsjahre, zwei Budgetjahre und ein Planjahr) muss die Erfolgsrechnung insgesamt ausgeglichen sein.

Schliesslich sollen Steuerfusserhöhungen künftig nur dann beantragt werden dürfen, wenn gleichzeitig alternativ Massnahmen zur Kostensenkung in gleicher Höhe wie die zu erwartenden zusätzlichen Steuereinnahmen aufgezeigt werden.

«Wir sind glücklich, dass sich der Präsident der FDP Gossau sofort bereit erklärte, die Initiative mitzuunterzeichnen. Das war ein starkes Signal.»
Claudio Zanetti

Die SVP Gossau hatte die Initiative an der Budget-Gemeindeversammlung im letzten November angekündigt. Hattet Ihr Unterstützung von anderen Parteien?

Das war sehr erfreulich. Auf meinen Aufruf an der Gemeindeversammlung meldeten sich tatsächlich mehrere Personen, die nicht Mitglied der SVP waren. Wir bildeten eine Arbeitsgruppe, die sich mit der ganzen Problematik auseinandersetzte. Wir orientierten uns an den Vorbildern Egg und Dübendorf, wobei Dübendorf als Parlamentsgemeinde anders aufgestellt ist.

Wer wirkte ebenfalls mit?

Schon früh trafen wir uns mit einer Delegation der FDP Gossau und loteten die Möglichkeiten eines Zusammengehens aus. Das war uns wichtig, obwohl es uns streng genommen um die Einreichung einer Einzelinitiative ging. Wir sind glücklich, dass sich der Präsident der FDP, Jürg Graf, sofort bereit erklärte, die Initiative mitzuunterzeichnen. Das war ein starkes Signal, das vom Gemeinderat auch als solches wahrgenommen wurde.

Dem Gemeinderat ging euer Vorschlag zu weit. In welchen Punkten?

Zu weit ist nicht ganz korrekt. Auch der Gegenvorschlag des Gemeinderats, auf den wir uns schliesslich einigten, ist rigoros. Allerding gewährt er eine etwas grössere Flexibilität in der Anfangsphase. Und da im nächsten Frühling bereits wieder Gemeindewahlen anstehen, wollten auch wir nicht den neuen Gemeinderat mit «Handschellen» an die Arbeit schicken.

Nun hat der Gemeinderat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet, der Ende September zur Abstimmung kommt. Eure Initiative habt ihr zurückgezogen. Bist du zufrieden?

Ich bin sogar sehr zufrieden. Es ist ein Beispiel, wie es in einer Demokratie laufen sollte: Man redet miteinander und findet eine gute Lösung.

Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, zwei Vorlagen miteinander zur Abstimmung zu bringen, aber das hätte wohl mehr Verwirrung als Klarheit gebracht. Darum gingen wir auf den Gemeinderat zu und erklärten uns zum Rückzug unserer Initiative bereit, falls uns auch der Gemeinderat noch etwas entgegenkommt. So einigten wir uns innerhalb von wenigen Tagen auf eine Vorlage, hinter der wir alle – auch die FDP – stehen können.

«Auch beim Kanton wäre ein gewisses Kostenbewusstsein wünschenswert.»
Claudio Zanetti

Neben Egg und Dübendorf wäre Gossau eine weitere Gemeinde, welche die Behörden finanziell in ihre Schranken weist. Ist es damit getan?

Ich gehe davon aus, dass schon bald weitere Gemeinden folgen werden. Allerding darf es nicht bei diesen bleiben. Auch beim Kanton wäre ein gewisses Kostenbewusstsein wünschenswert. Ein Beispiel: Der Personalbestand ist im Kanton Zürich seit Anfang Jahr um rund 1500 Personen gewachsen. Die kantonale Verwaltung wächst deutlich schneller als die Bevölkerung. Ich begrüsse darum ausdrücklich die Initiative der Jungfreisinnigen, die dieser Entwicklung ein Ende bereiten wollen.

Die Gemeinde Gossau hatte schon mal ein besseres Image. Im März stehen Neuwahlen an. Ist es Zeit für einen Wechsel?

Es ist immer die Zeit, das Richtige zu tun.

Barbara Tudor