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Gossau ZH
29.08.2024
30.08.2024 17:47 Uhr

Wo Gras und Mais getrocknet werden

Seit Ende der 1970er-Jahre befindet sich die Grastrocknungsanlage der LANDI Zola AG in Ottikon (Gossau ZH).
Seit Ende der 1970er-Jahre befindet sich die Grastrocknungsanlage der LANDI Zola AG in Ottikon (Gossau ZH). Bild: Martina Gradmann
In Ottikon (Gemeinde Gossau ZH) steht die Grastrocknungsanlage, die umgangssprachlich auch «Grasteeri» genannt wird. Landwirte können dort ihre Gras- und Maisernten sowie Nebenprodukte zu Pellets verarbeiten lassen. Die Anlage gehört der Landi Zola AG, betrieben wird sie von der Trocknungsmeisterin Lilly Blöchlinger und ihren Mitarbeitern.

Wenn im Sommer das Gras auf den Felder zum Trocknen liegt, arbeitet die Trocknungsanlage in Gossau-Ottikon nur sporadisch. Hochbetrieb ist im Herbst bei der Maisernte. Hier werden Gras, Mais und Nebenprodukte für Landwirtinnen und Landwirte getrocknet und verarbeitet. In dieser Zeit weht ein starker Geruch nach Gras und Heu über die Gegend, den einige als angenehm, andere aber als lästige Geruchsemission empfinden.

Die Trocknung von Produkten dient zur Konservierung und Herstellung von qualitativ hochwertigen Futtermitteln. Bis zu 40 Tonnen Gras, Mais und andere Produkte werden pro Tag verarbeitet, übers ganze Jahr sind es bis zu 2000 Tonnen. Die Anlage wird von vielen Bauern aus dem Zürcher Oberland genutzt. 80 Prozent der Landwirte kommen aus dem Umkreis von 15 Kilometern nach Ottikon. Weitere Anlagen gibt es in Bülach,  Kaltbrunn und Eschlikon. «Gras und Mais müssen trocken, aber nicht zu trocken sein, weil sie sonst zu viele Nährstoffe verlieren », erklärt Trocknungsmeisterin Lilly Blöchlinger. Sie betreibt gemeinsam mit zwei Mitarbeitern seit sechs Jahren die Anlage in Gossau und ist im Herbst sozusagen im Dauereinsatz.

Die Trocknungsmeisterin Lilly Blöchlinger zeigt die Heizanlage. Bild: mg

Von Zyklonen und zickigen Pressen

Die Landwirte selbst oder Lohnunternehmer laden ihre Ware im Vorhof der Trocknungsanlage ab. Von dort wird sie per Förderband auf eine Walze transportiert, welche Gras und Mais zu sogenannten Matratzen formt. Dann geht es über eine «Schnecke» in die Trommel, wo sich das Produkt bewegt und mit grosser Hitze getrocknet wird.

Ein sogenannter Zyklon portioniert anschliessend die Ware und leitet diese in die Pressen weiter, die von den Mitarbeitenden liebevoll «Trudi» und «Vreneli» genannt werden. «Manchmal sind sie ein bisschen zickig und müssen gut behandelt werden, denn sie sind es, die uns die Leistung vorgeben», sagt Blöchlinger schmunzelnd. Sie entnimmt aus einem «Big Bag» die entstandenen Graspellets, die erstaunlich gut riechen und von Pferden, Geissen und Kühen heiss geliebt werden.

Seit 2016 wird die Anlage mit Gas betrieben. Der Rauch, der oft weitherum zu sehen ist, besteht lediglich aus Wasserdampf. «Wir produzieren hier Qualitätsfutter, was durch die gestiegenen Gaspreise leider nicht ganz günstig ist», erklärt Aline Schmucki, Leiterin Agrar bei der Landi Zola AG. Zu
zwei Dritteln verarbeite man die Ware der Kunden, ein Drittel sei Handelsware, welche man den Bauern abkaufe, verarbeite und an verschiedenen Verkaufspunkten weiterverkaufe.

Lilly Blöchlinger (links) und Aline Schmucki haben die Anlage fest im Griff. Im Bild: zu Pellets geformtes Futtermittel in sogenannten Big Bags. Bild: mg

Beruf: Trocknungsmeisterin

Beide Frauen sind auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen. Lilly Blöchlinger hat eine landwirtschaftliche Lehre absolviert und führt heute gemeinsam mit ihrem Partner einen Hof in der Tägernau in Gossau. Aline Schmucki hat Agronomie studiert.

 Mit ihrer Landwirtschaftslehre konnte Blöchlinger die interne Ausbildung zur Trocknungsmeisterin absolvieren. Seit mittlerweile sechs Jahren betreut sie die Trocknungsanlage in einem 40-Prozent-Pensum. Die anderen 60 Prozent arbeitet sie in der Getreideannahmestelle in Illnau. «Anfangs wurde ich oft nach dem Chef gefragt, doch «Die Bedienung braucht Fingerspitzengefühl» jetzt haben mich die Landwirte akzeptiert und damit die Tatsache, dass auch eine Frau hier verantwortlich sein kann.»

Mehrwert und Geschichte der künstlichen Trocknung

Früher habe man das Heu zum Trocknen aufgehängt und erst dann im Heustock gelagert, weiss Aline Schmucki. Gärendes Heu sei aber leicht entzündlich und habe in der Vergangenheit schon mehr als einmal zu einem Scheunenbrand geführt. Heute werde das Heu auf dem Heustock belüftet, um die Brandgefahr zu reduzieren.

Im Jahr 2020 brannte es auch in der Trocknungsanlage. Durch eine Staubexplosion kam es zu einem Trommelbrand, der allerdings schnell gelöscht werden konnte. Die Trommel musste jedoch ersetzt werden.

Wertvolles Zusatzfutter

Um Gras und Mais zu Tierfutter zu verarbeiten, wird das frisch gehäckselte Gut auch oft als Silage haltbar gemacht. Durch die künstliche Trocknung blieben gegenüber der Trocknung an der Sonne gegen 60 Prozent der Nährstoffe erhalten, erklären die beiden Frauen. Der Nachteil des durch Gärung konservierten Futtermittels sei, dass die Milch von mit Silage gefütterten Kühen nicht für die Käseproduktion geeignet sei. Das künstlich getrocknete Gras- und Maisgut in Form von Pellets werde den Tieren als Zusatz- und nicht als Grundfutter gegeben.

Einst im Dorf

Die Grastrocknungsanlage war zuerst bei der Landi in Gossau Dorf stationiert. Damals habe es immer mal wieder Einsprachen und auch Brände gegeben, was zu verschiedenen Anpassungen und Verbesserungen der Anlage geführt habe. Im Jahr 1977 wurde sie am jetzigen Standort in Ottikon neu gebaut. «Die Anlage ist in die Jahre gekommen, läuft aber immer noch gut. Die Bedienung braucht allerdings Fingerspitzengefühl», sagt die Trocknungsmeisterin.

Geschichte

1942, mitten im Krieg, wurden von der Eidgenossenschaft Standorte für Grastrocknungsanlagen gesucht, denn es galt, im Interesse der Volksernährung die Milchwirtschaft zu fördern. Massgebend für die Auswahl der Standorte waren die Siloverbotszonen bzw. die Käsereigebiete einerseits und andererseits die möglichst nahegelegene Stromversorgung. Auf Gossau trafen damals beide Kriterien zu, im Gespräch war aber auch Grüningen.

1942 konnte die Genossenschaft ein Stück Land vom Landwirt Oskar Weber aus Berg Gossau erstehen und ein erstes Gebäude aus Holz erstellen. 1944 wurde der Verband Schweizerischer Grastrocknungsbetriebe gegründet, dem die Genossenschaft beitrat. Damals vermochte die Anlage 1200 bis 1400 Kilogramm Grünfutter pro Stunde zu trocken.

Im Frühling 1945 wurde der Genossenschaft von der Amtsstelle in Bern befohlen, auch Maikäfer zu trocknen, damit dieses wertvolle tierische Eiweiss Verwendung fände. Das habe einen enormen Gestank verbreitet, ist in der Chronik zu lesen.

Im August 1945 wurde das ganze Gebäude der Grastrocknungsanlage ein Raub der Flammen, ausgelöst durch Eisenteile in den Filterschläuchen. Ein Wiederaufbau war jedoch beschlossene Sache, und schon bald lief die Anlage mit einigen Verbesserungen wieder Tag und Nacht. Gebrannt hat es erneut 1968 (Trocknungstrommel), 1973 und 1975 (Zyklonbrand) und es fanden Abklärungen für einen neuen Standort statt. Am 11. Februar 1977 stimmte die Generalversammlung schliesslich der Erstellung der Grastrocknungsanlage im Isert bei Ober-Ottikon zu. Obwohl die Anlage abseits platziert wurde, gingen Einsprachen wegen Lärmbelästigung ein und ein Schalldämpfer musste eingebaut werden. 1982 schliesslich kaufte die Genossenschaft der Gemeinde das Land ab. «Die Genossenschaft kann auf diesen Betrieb stolz sein, und es ist zu hoffen, dass der Duft, den die meisten Leute als angenehm bezeichnen, dazu beitragen wird, das Verhältnis von Nichtbauern zu Bauern angenehm zu gestalten», heisst es in der Chronik.

Martina Gradmann