Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Gossau ZH
11.06.2024
11.06.2024 10:56 Uhr

Baukredit «Wohnen Rössliwiese 2» muss an die Urne

Gemeindeversammlung in den heiligen Hallen von Gossau.
Gemeindeversammlung in den heiligen Hallen von Gossau. Bild: bt
An der Gemeindeversammlung vom 10. Juni 2024 wurden vier Geschäfte behandelt, eines davon wird an die Urne geschickt. Eine Anfrage zum GZO und zur KEZO sorgte für eine verlängerte Versammlung.

135 Stimmberechtigte fanden sich am Montagabend bei selten gewordenem Sonnenschein in der Ref. Kirche Gossau ZH zur Gemeindeversammlung ein. Von den insgesamt 7'200 Stimmberechtigten der Gemeinde sind das weniger als 2 Prozent. Diese haben über drei Vorlagen abgestimmt – und eine an die Urne verwiesen.

Jahresrechnung 2023 geprägt von hohen Personalkosten

Als erstes erläuterte der Gemeindepräsident Jörg Kündig nach seiner Begrüssung die Jahresrechnung 2023. Budgetiert war ein Plus von 318'500 Franken, effektiv resultierte ein Plus von 1,43 Mio. Franken. Steuereinnahmen, Grundstückgewinnsteuern und Gewinnbeteiligungen der ZKB führten zum positiven Ergebnis.

Kostenseitig schlugen Personal-Mehrkosten von 750'000 Franken bei der Gemeindeverwaltung zu Buche, die jedoch nicht genauer erläutert wurden, wie auch Kosten im Asylwesen, im Bereich Sozialdienstleistungen und Sozialversicherungen. Auch im Bereich Bildung verfehlte die Jahresrechnung das Budget bei weitem: Budgetiert waren 19'547'600 Franken, effektiv resultierten Kosten von 20'913'389 Franken (+ 1,36 Mio. Franken). Diese seien v.a. auf höhere Personalkosten in der Primarschule, für externe Sonderschulung sowie für den Kindergarten angefallen.

Die Jahresrechnung weist insgesamt 6,8 Mio. Franken Investitionen auf. Hier fielen v.a. Kosten im Bereich Präsidiales für eine Notstromversorgung, IT und Software an, erläuterte Kündig. Auch im Bereich Bildung schlugen Anschaffungen wie Schulbus, iPads und interaktive Bildschirme zu Buche. Die grössten Investitionen fielen beim Unterhalt an für Strassen- und Kanalsanierungen, Heizungserneuerungen und Sanierungen am Gemeindehaus.

Der Selbstfinanzierungsgrad lag im 2023 bei 91 %. Zum Vergleich: Im Vorjahr 2022 lag der Eigenfinanzierungsgrad bei 270 %. Kündig präsentierte ergänzend mit Diagrammen die positive Eigenkapital-Entwicklung über die letzten Jahre sowie die kontinuierlich sinkenden Darlehen. Eine weitere Grafik zeigte, wie sich die Nettoschuld pro Einwohner mittlerweile in ein Nettovermögen verwandelt hat.

«Es geht nicht, dass man den Bürgern noch mehr Geld wegnimmt.»
Stimmbürger

«Einfach nur Glück gehabt»

Im Anschluss an die Ausführungen des Gemeindepräsidenten meldete sich ein Stimmbürger zu Wort. Die Jahresrechnung mit dem Plus klinge zwar gut, sei sie aber nicht. Der Überschuss sei nur aufgrund von Ausschüttungen des Kantons zustande gekommen – ohne diese würde ein Defizit resultieren. Die Gemeinde habe einfach nur Glück gehabt.

Auch das Vermögen habe sich verschlechtert und das kurzfristige Fremdkapital sei um 7 Mio. gestiegen. Bei steigenden Personalkosten und steigendem Sachaufwand könne keine Rede sein von einer Stabilisierung. Die Gemeinde habe zwar kein Problem mit Einnahmen, aber die Ausgaben und Investitionen seien zu hoch. Diese Entwicklung müsse man stoppen. «Es geht nicht, dass man den Bürgern noch mehr Geld wegnimmt.» Die Ausgaben müssten gesenkt werden, und ein Selbstfinanzierungsgrad von 100 % müsse das Ziel sein.

Der Gemeindepräsident nahm dazu keine Stellung. Da es keine weiteren Wortmeldungen gab, kam es direkt zur Abstimmung. Die Jahresrechnung 2023 wurde einstimmig genehmigt.

Erweiterungsbau Rössliwiese 2 auf dem Prüfstand

Beim zweiten Geschäft ging es um die Genehmigung des Baukredits in der Höhe von 2'865'000 Franken für den Erweiterungsbau «Rössliwiese 2» in Unterottikon zur Unterbringung von Flüchtenden. In ihrer Einleitung wies Gemeinderätin Sylvia Veraguth darauf hin, dass man bewusst nicht von Asylwohnungen spreche, weil dieser Begriff nicht richtig sei. Es würden verschiedene Menschen in Notsituationen in der Rössliwiese leben. Dies können auch Schweizer sein.

Die Ressortvorsteherin Gesellschaft erläuterte die Entwicklung der Aufnahmequoten der letzten Jahre. Lag diese im April 2022 noch bei 0,5 %, wird sie ab dem 1. Juli 2024 1,6 % betragen. Die Unterbringung sei eine Herausforderung. Darum sei der Erweiterungsbau ein gutes Konzept, das funktioniere und sich mit dem bestehenden Bau bereits bewährt habe. Aufgrund der Einnahmen über die kantonalen Beiträge würden jedes Jahr Mehreinnahmen generiert.

Im Anschluss ging Gemeinderätin Elisabeth Pflugshaupt auf den Bau ein. Dieser sei mit 2,865 Mio. zweckmässig und durch seine modulare Bauweise flexibel. So können mit einfachen Türzugängen 2 bis 5-Zimmerwohnungen je nach Bedarf bereitgestellt werden. Auch bezüglich Auslastung sei man mit den Kosten auf der sicheren Seite: Die Anlage rentiere auch bei einer Auslastung von nur 77 Prozent. Als weiteren Vorteil des Erweiterungsbaus sieht Pflugshaupt die Tatsache, dass die Einnahmen bzw. Überschüsse in der Gemeinde verbleiben und nicht wie beim Zumieten von Wohnungen verloren gehen.

10-minütige Wortmeldung gegen Asylbewerber

Im Anschluss an die Ausführungen wandte sich ein Gossauer Bürger mit einer 10-minütigen, zuweilen skurrilen Wortmeldung an die Versammlung. Neben einem ausländerfeindlichen Witz und dem Bedienen alter Klischees, nutzte er die Redezeit, um sein Unbehagen über die steigende Zahl an «Asylanten» in der Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Er verwies auf die hohe Kriminalitätsrate von Asylbewerbern und dass diese mit ihren Kulturen Streit ins Land tragen würden.

Das Vorgehen von Bund und Kanton sowie die Aufnahmequoten seien ein Missbrauch gegen die Demokratie. Das Asylwesen sei wie eine Naturkatastrophe. Darum gebe es für ihn nur eine Möglichkeit: Nein zu stimmen bei jeder Abstimmung um Asylanten. Auch bei der Rössliwiese.

Auf die Wortmeldung antwortete Gemeinderätin Veraguth sachlich, aber bestimmt. Die Kriminalitätsrate lasse sich nicht leugnen und es gebe viele Probleme. In der Rössliwiese würden jedoch keine Asylsuchenden untergebracht, sondern ausschliesslich Menschen mit Aufenthaltsbewilligung sowie Menschen mit Schutzstatus S.

Fragen zur Abschreibungsdauer von 33 Jahren

Ein weiterer Bürger wollte vom Gemeinderat wissen, ob die Abschreibungsdauer von 33 Jahren bei einem Leichtbau nicht zu lange sei. Gemeinderätin Pflugshaupt erklärte, dass es sich dabei um einen regulären Abschreibungssatz handle und man via Überschuss genügend Mittel für den Unterhalt habe.

Ein anderer Bürger kommentierte, dass er sich von den anwesenden politischen Vertretern aus National- und Kantonsrat wünsche, dass sie sich aktiv dafür einsetzen, dass der Druck bezüglich Asylquote nicht weiter steige. Auch wollte er vom Gemeinderat wissen, ob man die bestehenden Baracken bei der Firma Künzli AG in Betracht gezogen habe.

Künzli-Baracken eine Option zur Überbrückung

Gemeinderätin Veraguth informierte, dass die Gemeinde die Baracken früher einmal gemietet hatte. Nach den ersten Quotenerhöhungen habe man den Kontakt zur Firma Künzli erneut gesucht, doch die Baracken seien vermietet gewesen. Gerade letzte Woche habe sie ein Schreiben der Firma Künzli erreicht mit einem Angebot, welches man nun gerne prüfen werde. Allenfalls könnten die Baracken eine Lösung sein, bis der Bau in der Rössliwiese parat sei.

Warum in Ottikon?

Eine weitere Wortmeldung kam von einem Bewohner aus Ottikon. Man lebe bislang gut mit den Schutzsuchenden zusammen, aber die Belastung nehme zu. Er frage sich zudem, warum der kleine Weiler Ottikon den Grossteil an Personen aufnehmen soll.

Zur Kostenberechnung sagte er: «Man will uns weismachen, dass das noch einen Überschuss bringt. Doch die steigende Zahl an Familien mit Kindern, die eingeschult werden, bringen auch viel Personalkosten in der Bildung mit sich, die das Gemeindebudget belasten.» Dass am heutigen Abend nicht einmal 2 Prozent der Stimmberechtigten über dieses Projekt abstimmen sollen, fand der Mann nicht ideal. Darum beantragte er der Gemeindeversammlung, dass das Geschäft an die Urne solle.

Vorlage muss an die Urne

Nach kurzer Überprüfung der Regelungen für einen Verweis an die Urne kamen der Gemeindepräsident und der Gemeindeschreiber zum Schluss, dass 1/3 der Stimmberechtigten dafür stimmen müssten, also 45 an der Zahl. Die Abstimmung fiel mit 46 Ja-Stimmen äusserst knapp aus. Kündig sagte abschliessend, dass man die Vorlage forcieren und möglichst rasch an die Urne bringen wolle.

Landerwerb und -verkauf

Die Genehmigung des Kaufs eines Teilgrundstücks in Unter-Ottikon, gleich neben dem Feuerwehr-Gebäude, ging ohne weitere Diskussionen über die Bühne und wurde mit einzelnen Gegenstimmen klar angenommen.

Für kurze Diskussionen sorgte der geplante Verkauf der Liegenschaft Depot Büelgass und des Grundstücks Sammelstelle im Zentrum, wo Accum eine Neugestaltung plant (wir berichteten).

Da sich die Parzellen der Gemeinde im direkten Umfeld des Accum-Areals befinden und diese dadurch keine Planungssicherheit für den Zentrumsbau und den Gestaltungsplan gehabt hätte, einigte sich die Gemeinde mit der Accum auf einen Verkauf. Dies sei auch im Interesse der Gemeinde gewesen, betonte Pflugshaupt. Man habe hart verhandelt. Der Marktwert sei auf 400'000 Franken geschätzt worden, mit der Accum habe man 650'000 Franken ausgehandelt, was einem hohen Quadratmeterpreis von rund 2'160.– entspreche.

Ein Bürger wollte vom Gemeinderat wissen, wo die Sammelstelle künftig geplant sei und wo das Depot stattdessen hinkomme. Der Platz bei der Garageneinfahrt an der Laufenbachstrasse, wo die Sammelstelle in den ersten Plänen der Accum eingezeichnet ist, sei nicht ideal. Die Sammelstelle müsse vielmehr im Umfeld vom Coop sein, wo gut rangiert werden könne.

Bezüglich Depot führte Pflugshaupt aus, dass in das bestehende Depot 300'000 Franken investiert werden müssten. Darum hätten sie eine Machbarkeitsstudie für einen Ersatz in Unter-Ottikon – im Umfeld der Werkstoff-Sammelstelle und der Feuerwehr – in Auftrag gegeben. Darüber sei aber noch nichts entschieden und müsse die üblichen Prozesse durchlaufen. Bezüglich Sammelstelle erklärte Pflugshaupt, dass die Accum den Standort der Sammelstelle gegenüber den ersten Plänen bereits geändert habe.

Weiter wollte der Stimmbürger wissen, ob für den Rückbau der Sammelstelle im Zentrum noch Kosten auf die Gemeinde zukommen würden. Gemäss Kündig werde der Verkauf ohne weitere Kosten für die Gemeinde erfolgen.

Dem Verkauf wurde schliesslich mit wenigen Gegenstimmen deutlich zugestimmt.

Anfrage zu GZO und KEZO

Als letzten Programmpunkt stand eine Anfrage mit zwei Themen an: zum GZO-Spital und zur KEZO. Aufgrund seiner Funktion als Verwaltungsratspräsident des GZO trat Jörg Kündig in den Ausstand. Die Fragen wie auch die Antworten des Gemeinderats verlas Gemeinderat Daniel Baldenweg. Den Worten zu folgen und diese in der hallenden Kirche akustisch auch zu verstehen, war wohl für viele eine echte Herausforderung.

Bezüglich GZO stellte der Stimmbürger einige kritische Fragen zur Rolle der Aktionärsgemeinde Gossau und wie sie zu handeln gedenkt, sollten finanzielle Forderungen auf die Gemeinde Gossau ZH zukommen. Die Gemeinde signalisiere Bereitschaft, sofern tragfähige Lösungen zur Sanierung präsentiert würden. Aktuell sei jedoch nicht bekannt, ob und in welcher Höhe die Aktionärsgemeinden Unterstützung leisten müssten. Baldenweg betonte, dass die Gemeinde nicht in der Pflicht stehe, finanziell zu helfen.

Auf die Frage, wie sich die Gemeinde über die Situation des GZO informiere, antwortete der Gemeinderat, dass dies – soweit möglich – über die GZO-Leitung erfolge sowie über den gebildeten Ausschuss.

170 Mio. noch nicht alles

In seinem Votum zum GZO sagte der Anfragesteller, dass die Probleme beim GZO wesentlich grösser seien. Es ginge nicht «nur» um 170 Mio. Franken, sondern um 230 Mio. Franken. Dazu kämen ein Defizit von 11 Mio. Franken im 2023, gestiegene Personalkosten und tiefere Einnahmen. Dazu ein Neubau der nicht fertig sei, Sanierungen am bestehenden Gebäude sowie der Generalunternehmer in Nachlassstundung...

Im zweiten Teil der Anfrage ging es um den 24,5 Mio. Franken Ersatzneubau der KEZO und welche Position die Gemeinde Gossau diesbezüglich einnehme. Gehe bei dem Projekt mit neuer, noch nicht erprobter Entwicklungstechnologie etwas schief, falle dies der Gemeinde Gossau voll auf die Füsse. Kantonsrat Daniel Wäfler wandte sich ebenfalls an die Versammlung und gab zu bedenken, dass der KEZO-Ausbau einen grossen Einfluss auf die Gemeinde Gossau hinsichtlich der Deponiepläne habe.

Um 22.15 Uhr wurde die Versammlung geschlossen. Draussen wartete Petrus bereits wieder mit seiner Regentonne.

Die Gemeindeversammlung der Evang.-ref. Kirchgemeinde findet am Montag, 17. Juni 2024 statt.

Barbara Tudor