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Hinwil
05.06.2021
05.06.2021 19:05 Uhr

Geplanter Liegenschaftsverkauf der Gemeinde Hinwil stösst auf Widerstand

Keine leichte Angelegenheit: Nutzung des Grundstücks an der Kemptnerstrasse 8 in Hinwil.
Keine leichte Angelegenheit: Nutzung des Grundstücks an der Kemptnerstrasse 8 in Hinwil. Bild: zvg
Am 13. Juni werden die Hinwiler Stimmberechtigten über den Verkauf des Grundstücks an der Kemptnerstrasse 8 entscheiden. In der Gemeinde regt sich Widerstand. Erneut.

Rückblende: Dr. Irène Rüegg-Marton vererbte mit ihrem Tod am 6. April 1999 der Gemeinde das Grundstück samt Liegenschaft an der Kemptnerstrasse 8 in Hinwil. Ihr Wunsch war es, dass die über 4'000 m2 grosse Grundfläche für einen gemeinnützigen Zweck genutzt wird. In ihrem Testament schrieb sie: «Am liebsten wäre es mir, die Liegenschaft würde für ein Altersheim verwendet und ein möglichst grosser Teil des Grundstückes würde nicht überbaut, sondern als Parkanlage ausgestaltet und als solche dem ganzen Quartier und ev. einer weiteren Öffentlichkeit für Erholungszwecke zugänglich gemacht. Das bestehende Haus soll wenn möglich erhalten bleiben. Es darf aber abgebrochen werden, wenn der gemeinnützige Zweck, dem das Grundstück zugeführt werden soll, dadurch besser verwirklicht werden kann.»

Erster Anlauf im 2016

Das an die Gemeinde übertragene Grundstück war anfangs noch mit einem Wohnrecht belastet. Als Übergangslösung wurde das Wohnhaus als Unterkunft für Asylsuchende und Sozialhilfe-Empfänger genutzt. Gemäss Legatsbestimmungen wird das Grundstück seit Übernahme im Rahmen eines Fonds als Sonderrechnung in den Büchern der Politischen Gemeinde geführt. Die wohnberechtigte Person war im November 2013 verstorben.

An der Urnenabstimmung vom 27. November 2016 sollten die Hinwilerinnen und Hinwiler über den Verkauf des Grundstückes befinden können. Das Konzept sah eine Bebauung mit Einbindung von zwei Nachbargrundstücken durch einen lnvestor vor. Der Nettoverkaufserlös wäre als ungebundene Zuwendung an die Stiftung Wohnen im Alter Hinwil gegangen. Der Bezirksrat hat die Urnenabstimmung wenige Tage vor dem 27. November 2016 für ungültig erklärt.

Zweiter Anlauf mit WBG Bachtel

Nach der Ungültigerklärung nahm die Gemeinde die Aktivitäten erneut auf. Die Eigentümer der beiden Nachbargrundstücke hatten sich zwischenzeitlich anderweitig orientiert. Gespräche mit der Stiftung Wohnen im Alter hatten ergeben, dass in naher Zukunft kein gemeinsamer Nenner gefunden werden kann.

Daraufhin hat die Gemeinde Kontakt mit der Wohnbaugenossenschaft Bachtel Hinwil (WBG) aufgenommen, welche ein Kaufinteresse am Grundstück mit anschliessender Bebauung aktiv angemeldet hatte. Nach verschiedenen Gesprächen wurden die Bestimmungen für einen Kaufvertrag ausgehandelt. Hierzu lud die Gemeinde Hinwil am 4. Dezember 2019 zu einer Informationsveranstaltung ein, bei der der geplante Verkauf mit den besonderen Vertragsbestimmungen erläutert wurde und bei der die WBG das Überbauungskonzept vorstellte.

Verwendung zu Alterszwecken zwingend

Die Erkenntnisse aus dem Informationsanlass zeigten, dass Kaufvertrag und Mietreglement zentrale Elemente der Vorlage sind und dass es hinsichtlich Zweckverwendung des Legats sowie späterer Einflussnahme der Gemeinde zusätzliche Präzisierungen braucht. An der Veranstaltung sind viele Ideen für die Verwendung des Grundstückes und auch eines Verkaufserlöses vorgebracht worden.

Der Gemeinderat hat daraufhin weitere juristische Abklärungen vorgenommen, um die Verwendungsmöglichkeiten zu klären. Die Vorgaben des Kantonalen Gemeindeamts einerseits und ein unabhängiges, externes juristisches Gutachten andererseits bestätigten, dass zur Erfüllung des Legats die Verwendung zu Alterszwecken zwingend vorzusehen ist. Andere Verwendungen werden explizit ausgeschlossen und sind somit nicht erlaubt. Aufgrund dieser Tatsachen hatte der Gemeinderat entschieden, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen und die Verhandlungen mit der WBG fortzuführen. Inputs aus der Informationsveranstaltung und der juristischen Abklärungen sind dabei eingeflossen.

Preiswerte Alterswohnungen für Menschen ab 60

Das aktuelle Konzept sieht 34 Alters-Mietwohnungen von 2½ - 4½ Zimmern vor, aufgeteilt in drei Baukörper. Die Wohnungen sollen preiswert und deutlich unter den marktüblichen Bedingungen für vergleichbare Neubauwohnungen angeboten werden. So dürfte sich eine 2½-Zimmerwohnung im Rahmen von Fr. 1'090.00 bis 1'240.00 bewegen, eine 4½-Zimmerwohnung zwischen 1'390 bis 1'540.00. Neben den Alterswohnungen sind auch zwei öffentliche Mehrzweckräume geplant. Ein Freiflächenanteil von 60% wird berücksichtigt.

Für die Mietwohnungen wurde ein Vermietungsreglement ausgearbeitet, welches auf den Richtlinien des Bundesamtes für Wohnungswesen für sozialen Wohnungsbau basiere. Es ist Bestandteil des Kaufvertrages und enthält u.a. folgende Punkte:

  • Mieter*innen müssen Mitglied der WBG sein. Die Höhe des Genossenschaftsanteils richtet sich nach der Wohnungsgrösse.
  • Das Mindestalter beträgt 60 Jahre, bei Paaren mindestens eine Person.
  • Der Wohnsitz ist seit mindestens 5 Jahren in der Gemeinde Hinwil.
  • Das steuerbare Einkommen beträgt max. Fr. 59'100.00 für 1-Personen-Haushalte und Fr. 70'200.00 für 2-Personen-Haushalte.

Am 20. Oktober 2020 wurde der Kaufvertrag beurkundet.

Das geplante Bauprojekt an der Kemptnerstrasse 8 in Hinwil Bild: Gemeinde Hinwil

Verkaufspreis erntet Kritik

Am 21. Mai stellte die Gemeinde anlässlich einer Informationsveranstaltung das angepasste Projekt vor. Dabei stiess vor allem der tiefe Verkaufspreis von 1,8 Mio. Franken auf Kritik. Das Grundstück mit einem Verkehrswert von gut 4,9 Mio. Franken werde zu einem Spottpreis verhökert. Gemeindepräsident Germano Tezzele und Gemeinderat Horst Meier argumentierten, dass das bestehende Wegrecht und die von der Erblasserin geforderte Freifläche den Wert mindere. Man könne zudem von einer gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft nicht denselben Preis verlangen wie von einem Investor, der eine maximale Rendite anstrebe.

Die Frage nach der Höhe des Verkaufspreises ist sicherlich berechtigt. Den Wunsch einer verstorbenen Person zu 100 Prozent korrekt umzusetzen, dabei allen Ansprüchen gerecht zu werden und rechtliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, ist kein leichtes Unterfangen. Mit dem aktuellen Vorschlag scheint das Anliegen der Verstorbenen, Raum für ältere Menschen und für die breite Öffentlichkeit zu schaffen, gut umgesetzt. Am 13. Juni wird sich zeigen, was die Hinwilerinnen und Hinwiler davon halten.

Barbara Tudor