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08.11.2025
08.11.2025 16:55 Uhr

Kein Plan B ist keine Option

Die Gemeinden brauchen einen Plan B. nicht nur für die GZO-Finanzierung. (Symbolbild)
Die Gemeinden brauchen einen Plan B. nicht nur für die GZO-Finanzierung. (Symbolbild) Bild: AdobeStock
Die Gemeinden haben keinen Plan B, falls die GZO-Vorlage am 30. November abgelehnt wird. Das ist kurzsichtig und gefährlich. Ein Kommentar von Barbara Tudor.

In den vergangenen zwei Wochen fanden in verschiedenen Gemeinden Informationsveranstaltungen zur bevorstehenden GZO-Vorlage statt. Ich war persönlich bei mehreren vor Ort, um mir ein Bild zu machen. Ich war – erstaunlicherweise – die einzige Medienvertreterin, sowohl in Rüti als auch in Wetzikon, der «Hauptstadt des GZO», und ebenso in Gossau, wo Ex-GZO-Präsident und Gemeindepräsident Jörg Kündig auftrat.

Leise, aber bedeutende Zwischentöne

Die Informationen über die Vorlage, den Businessplan und wofür die 50 Millionen Franken eingesetzt werden sollen, waren das eine. Genau so bedeutend waren aus meiner Sicht – als Medienvertreterin und auch als Bewohnerin vom Zürcher Oberland sowie Stimmberechtigte – das, was die Bevölkerung sagte. Menschen wie du und ich. Jene, welche die Zeche für das Versagen der früheren GZO-Verantwortlichen zahlen. Die vielleicht schon mal Patientin oder Patient im GZO waren, aktuell gerade in Behandlung sind oder es womöglich mal sein werden.

Die Haltung der Menschen im Zürcher Oberland ist glasklar, auch wenn sich an den Veranstaltungen nur einzelne Personen zu Wort gemeldet haben: Niemand stellt das Spital an sich und die wertvolle Arbeit der vielen Mitarbeitenden in Frage. Die Solidarität mit ihnen ist zurecht gross. Was sie und alle anderen Menschen im Gesundheitswesen leisten, ist unermesslich. Niemand möchte auf «sein» Spital um die Ecke verzichten, auch wenn eine Alternative innerhalb von 10 bis 30 Minuten erreichbar wäre. Ob wir uns diese Nähe in Zukunft noch leisten können, ist eine andere Frage.

Ebenso deutlich herausgekommen ist an den Veranstaltungen, die mehrheitlich von älteren Menschen besucht wurden, aber auch: Das Vertrauen in die Verantwortlichen der Aktionärsgemeinden und in die des GZO-Managements – auch wenn heute andere am Ruder sind und versuchen, dass havarierte Schiff von der stürmischen See in die rettende Werft zu bringen – hat stark gelitten.

Reichen 50 Millionen wirklich?

Viele fragen sich zudem, ob die 50 Millionen Franken wirklich ausreichen, um das Spital zu retten, wie das die GZO-Führung verspricht, oder ob man in kurzer Zeit noch mehr Geld einschiessen muss. Dass mehrere RPKs in den Aktionärsgemeinden und auch die Gemeinderäte von zwei Gemeinden sich gegen die Vorlage ausgesprochen haben, macht den Entscheid, was man am 30. November in die Urne legen soll, nicht einfacher.

Einen hohen Preis haben die Bürgerinnen und Bürger der Aktionärsgemeinden schon heute bezahlt: Denn das bestehende Aktienkapital am GZO ist weg. Es wurde von den Gemeinden in den Büchern bereits vorsorglich auf Null abgeschrieben. Und wenn die Gläubiger einem Schuldenschnitt von 70 Prozent zustimmen, bedeutet das Verluste bei Pensionskassen und Versicherungen.

«Sterbe ich auf dem Weg ins Spital?»

Die grössten Sorgen machen sich die Bürgerinnen und Bürger, dass bei einer Schliessung des Spitals in Wetzikon die Notfallversorgung nicht mehr gewährleistet sein könnte. Vor allem ältere Menschen haben Angst, es im Notfall nicht rechtzeitig ins Spital zu schaffen.

Die GZO-Verantwortlichen bedienten dieses Feld an den Info-Veranstaltungen natürlich bewusst. So ging am Anlass in Rüti bei der Aussage von GZO-Direktor Hansjörg Herren, dass er gerade Meldung erhalten habe, dass nur noch zwei Betten frei seien, ein Raunen durch den Saal.

Interessant ist, dass Herren diese «2-Betten-Information» nicht nur am 28. Oktober in Rüti, sondern auch am 30. Oktober in Wetzikon und am 4. November in Gossau kundtat. In Gossau fügte Herren immerhin an, dass solche Betten-Knappheiten immer wieder und auch in anderen Spitälern vorkommen würden und meist saisonal bedingt seien. Welches Spital mit Grundversorgung im Kanton oder in der Schweiz hat schon vorige Betten.

Wichtig war in diesem Zusammenhang das Statement der Rütner Gemeindepräsidentin Yvonne Bürgin, dass die Rettungswagen, mit denen man in einem Notfall ins Spital gefahren wird, wie «kleine Spitäler» seien und die Behandlung ab der ersten Minute in den Fahrzeugen beginne. Dabei erwähnte sie die grosse Bedeutung von Regio144.

Gesundheitsdirektion: «Notfallversorgung ist sichergestellt»

Die Aussagen von Gemeindevertretern und des GZO-Managements, dass man nicht wisse, wie der Kanton die Zahl der Notfälle ohne das GZO bewältigen wolle, sorgte ebenfalls für Verunsicherung bei den Menschen. Dabei hat der Regierungsrat bereits im März 2024, nachdem er den 180-Millionen-Kredit abgelehnt hat, klar gemacht, dass es keinen Versorgungsengpass oder gar -notstand gäbe, sollte das GZO seinen Leistungsauftrag nicht mehr erfüllen können. Auch dann würde die Bevölkerung innerhalb von 25 Minuten ein Spital erreichen. Dies hat die Gesundheitsdirektion auf Nachfrage von Zürioberland24 soeben noch einmal bekräftigt.

War Kantons-Nein wirklich falsch?

Die GZO-Führung und auch die Gemeindevertreter schieben die Schuld und die Verantwortung gerne der Zürcher Regierung in die Schuhe. Hätten sie die 180 Millionen bezahlt, würde man jetzt nicht vor dem Dilemma stehen... Wirklich?

Fragen wir uns doch auch mal: Was wäre geschehen, wenn der Kanton die 180 Millionen gezahlt hätte. Hätte sich das GZO-Management dann auch neu formiert und wichtige Sparmassnahmen eingeleitet – einer der Bestandteile des Sanierungskonzepts? Hätten die Gemeinden auch einen Ausschuss gebildet und endlich genauer hingeschaut und für personelle Veränderungen im Management gesorgt? Die Aussage von GZO-Direktor Hansjörg Herren Ende Oktober in Rüti, dass man die Vergangenheit später aufarbeite, lässt aufhorchen.

Ich wage zu behaupten: Wir stünden vor der genau gleichen Situation, vielleicht einfach etwas später. Denn die Schulden hätten sich nur von Anleihegläubigern auf den Kanton verlagert. Die Probleme, nämlich hohe Schulden und ein unfertiger Neubau, wären immer noch da gewesen. Vor allem aber wären heute noch die gleichen Leute am Ruder, welche das Schlamassel angerichtet haben. Die Damen und Herren des Verwaltungsrats – allen voran Jörg Kündig als dessen Präsident – wären zur Tagesordnung übergegangen, hätten weiter gewurstelt. Und die Gemeinden hätten weiter weggeschaut.

Warum kein Podium mit der Gesundheitsdirektion?

Dass das GZO-Management die Frage nach der Notfallversorgung ohne das GZO nicht beantworten kann oder will, ist nachvollziehbar. Es ist nicht ihre Aufgabe, Antworten darauf zu finden.

Nicht nachvollziehbar ist das auf Seiten der Gemeindevertreterinnen und -vertreter. Müssten nicht genau sie Antworten auf diese wichtigen Fragen haben und diese bei der Gesundheitsdirektion auch entsprechend eingefordert haben? Die meisten von ihnen treten lediglich mit der 50-Millionen-Vorlage in den Händen ans Rednerpult und verteidigen es vehement als einzige Lösung. Wer sich dagegen ausspricht oder kritische Fragen stellt – darunter auch die Medien –, wird in die Ecke der Bösen, ja beinahe der Verräter, gestellt. In jene Ecke, wo auch die Gesundheitsdirektion steht.

Es war absehbar – und bestätigte sich an den Info-Veranstaltungen – dass die Frage nach der Regierung, ihrer Verantwortung und der Sicherstellung der Notfallversorgung kommen wird. Warum wurden zu diesen Info-Veranstaltungen, zu denen die Gemeinden und nicht das GZO geladen hatten, nicht Regierungsvertreter pro-aktiv eingeladen? Warum wurde keine Podiumsdiskussion mit ihnen organisiert? Regierungsvertretende waren schon für weit weniger wichtige Themen oder Veranstaltungen ins Zürcher Oberland gereist...

Mir scheint, als ob die Gemeindevertreter nur das kurzfristige Ziel vor Augen haben. Das leidige Dossier «Problemfall GZO» soll so schnell wie möglich weg von ihrem Miliz-Tisch. Ja vielleicht will man auch so schnell wie möglich davon ablenken, dass man in den vergangenen zehn Jahren nicht genau genug hingeschaut hat.

Am Fremdkapitalmarkt Geld organisieren, das dann andere mit Zinsen über Jahrzehnte hinweg teuer zahlen, ist nicht schwer. Das Geld von anderen auszugeben ist bekanntermassen einfach. Doch damit ist es leider nicht getan. Die Aktionärsgemeinden werden es verkraften, aber es werden dafür an anderer Stelle Mittel fehlen – oder die Steuern werden erhöht, um Investitionen in den Gemeinden stemmen zu können. Uns allen steht ja z. B. mit dem KEZO-Bau noch ein grosser Brocken bevor.

Sanierungsplan ein Kartenhaus

Die Gemeindevertreter sagten an den Info-Veranstaltungen klar: Es gibt keinen Plan B. Wird die Vorlage am 30. November nicht angenommen, war's das. Damit wird den Menschen eingeflösst, dass es keine Alternative gebe. Es wird ihnen sozusagen mit Drohfinger suggeriert: «Wenn du nicht Ja stimmst, bist DU dafür verantwortlich, dass das Spital schliesst!»

Auch das Sanierungskonzept baut darauf auf: Kommen die 50 Millionen nicht zusammen, fällt das Kartenhaus in sich zusammen. Die Gläubiger würden in dem Fall dem Schuldenschnitt nicht zustimmen, womit der Nachlassvertrag nicht zustande käme. Die Folge: Der Konkurs.

Plan B für die ganze Gesundheitsversorgung

Es braucht jetzt nicht nur eine gute und nachhaltige Lösung zur Rettung des GZO, es braucht auch einen Plan B seitens der Gemeinden, z. B. was Regio144 anbelangt, das schon heute eine enorm wichtige Rolle in der Notfallversorgung im Zürcher Oberland übernimmt.

Wenn das GZO keine Zeit hatte, zurückzublicken und die Vergangenheit aufzuarbeiten, so sind es die Gemeindevertreterinnen und -vertreter, welche diese Aufgabe ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen müssen. Auch dann, wenn die Finanzierung und damit die Rettung des GZO zustande kommt und man kurzfristig aufatmen kann. Noch viel wichtiger aber ist, dass sie entsprechende Kontrollmechanismen aktivieren, damit sowas nie wieder passieren kann.

So wie Verwaltungsrats-Präsident Andreas Mika an den Veranstaltungen sagte, dass sie derzeit in alle Richtungen denken, so muss das auch für die Gemeinden gelten. Ein Bürger sagte an einem der Anlässe: «Wieso holt man nicht auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Bevölkerung in den Aktionärs-Ausschuss?» Heute, wo Projekte mit Teilhabe und Mitwirkung die besten Erfolge zeigen, ist das ein prüfenswerter Ansatz. Ganz nach dem Motto: «Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.»

«Was wäre, wenn die Regierung zu 50 Millionen Ja sagen würde?»
Barbara Tudor

Stimmbürger haben's nicht leicht

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger stehen vor einem Dilemma. Sagen sie Ja zum Kredit, setzen sie zwar ein Solidaritätszeichen für das GZO und die GZO-Mitarbeitenden, zahlen aber indirekt und noch lange für die Fehler anderer – ohne Garantie, dass das GZO wirklich Bestand hat. Und sie stehen nach wie vor ohne fertiggebauten Neubau und mit sanierungsbedürftigem Hochhaus da, dessen Finanzierung alles andere als klar ist. Sagen sie Nein, werden zwar die Gemeindefinanzen geschont, beschleicht sie jedoch das ungute Gefühl, am Aus des GZO mitschuldig zu sein.

Vielleicht braucht es noch eine dritte Frage im Sinne von «in alle Richtungen denken»: Was, wenn man Nein stimmt und das den Weg frei macht für eine ganz neue Lösung? Wie zum Beispiel für eine neue Verhandlungsrunde mit dem Kanton? Denn womöglich sagte die Regierung zwar Nein zu 180 Millionen, würde aber 50 Millionen zustimmen – jetzt wo ein Businessplan auf dem Tisch liegt, der Betrieb optimiert wurde, schwarze Zahlen geschrieben werden und eine Lösung mit den Gläubigern zum Greifen nah liegt.

Die 50 Millionen Franken würden solidarisch auf den ganzen Kanton verteilt, so wie sich die Zürcher Oberländer Bevölkerung auch solidarisch an der Finanzierung z. B. des Kinderspitals beteiligt hat.

Der GZO-Betrieb wäre genauso sichergestellt, die Gläubiger zufrieden und die GZO-Führung könnte in den nächsten Jahren beweisen, dass ihre Pläne auf Papier auch wirklich in die Tat umgesetzt werden können. Auch ein Spitalverbund, wie er angestrebt wird, wäre weiterhin möglich.

Wenn schon die Gemeinden anscheinend keinen Plan B haben, so könnte es ja sein, dass die Zürcher Regierung nicht nur einen Plan A mit Massnahmen zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung hat, sondern auch einen Plan B zur Rettung des GZO in der Hinterhand. Es wäre dem GZO, den Mitarbeitenden und allen Zürioberländerinnen und Zürioberländern zu wünschen. Damit aus dem aktuellen Schandfleck wieder ein Leuchtturm wird, der vielen Menschen in ihrer Gesundheit hilft.

Barbara Tudor