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Gossau ZH
19.06.2025
19.06.2025 12:41 Uhr

Das Pöstli als realer Treffpunkt

Das Herz der Offenen Jugendarbeit in Gossau: Rahel und Patrik begrüssen ihre jugendlichen Gäste an der Theke im «Pöstli».
Das Herz der Offenen Jugendarbeit in Gossau: Rahel und Patrik begrüssen ihre jugendlichen Gäste an der Theke im «Pöstli». Bild: zvg
Im «Pöstli» in Gossau ZH pulsiert das Herz der Offenen Jugendarbeit. Seit 1982 finden Jugendliche im Oberstufenalter dort Raum zum Sein. Die Jugendarbeit wird mit viel Engagement von zwei Sozialarbeitenden und freiwilligen Jugendlichen geführt und hat sich so zu einem wichtigen Treffpunkt für die Jungen entwickelt.

Praktisch gelegen beim Ernst-Brugger-Platz im ehemaligen Bahnhofsgebäude, ist der Jugendtreff seit über 40 Jahren weit mehr als ein Raum mit Sofa und Theke. Die Räumlichkeiten mit Sofas, Billardtisch, Töggelikasten und Fotowand mit Schnappschüssen erinnern an die eigene Jugend.

«Das Pöstli soll ein sicherer Ort sein, wo sich die jungen Erwachsenen ernst genommen fühlen und Verantwortung übernehmen können », sagt Rahel Koch, Co-Leiterin des Jugendtreffs. Zusammen mit Patrik Herrmann und einem Praktikanten bildet sie das Leitungsteam, das von einer Gruppe freiwilliger Schülerinnen und Schüler unterstützt wird.

Die «Pöstli»-Geschichte begann 1990, als die Idee aufkam, Jugendlichen einen regelmässigen Treffpunkt zu bieten. Der Gossauer Sämi Kuster machte den Raum als erster Angestellter des Cevi Gossau für die Jungen zugänglich. «Jeweils am Dienstag- und Donnerstagnachmittag öffnete ich die Türen. Anfangs kamen nur zwei Jungs, die scheu ihre Köpfe reingestreckt haben», erinnert er sich lachend. Heute, über 40 Jahre später, ist das «Pöstli» nicht mehr wegzudenken. Seit 2016 ist die Arbeit im Rahmen einer Leistungsvereinbarung offiziell von der Gemeinde abgestützt.

Ein Raum zum Sein: der Aufenthaltsraum des «Pöstli». Bild: isa

1980er-Jahre vs. heute

Dass ein solcher Treffpunkt wichtig ist, zeigt der gesellschaftliche Wandel. «Früher traf man sich spontan draussen. Die Kommunikation lief über das Festnetz. Die Freizeit war analog, unmittelbar und entspannter. Heute wachsen die Jungen in einer Welt auf, die rund um die Uhr online ist. Mit dem Smartphone sind sie immer erreichbar oder haben das Gefühl, es sein zu müssen. Das digitale Leben ist schnell, voller Vergleiche. Gerade deshalb brauchen Teenager reale Orte, an denen sie einfach sie selbst sein dürfen.»

Hier setzt die Offene Jugendarbeit an: mit einem geschützten Raum, wo junge Menschen sich ausprobieren, Fragen stellen und Vertrauen erleben können – ohne Leistungsdruck und ohne Likes. «Unsere Arbeit heute ist anders als früher», sagt Rahel. «Die Jugendlichen sind im Kern gleich: neugierig, sensibel und voller Ideen. Aber sie haben es schwerer, sich selbst zu spüren. Wir sind da, um sie auf Augenhöhe zu begleiten, nicht zu kontrollieren.» Besonders nach den Sommerferien sei der Andrang gross. «Für die neuen Erstoberstüfler ist der Jugendtreff ein besonders spannender Ort, der erstmals für sie zugänglich wird.»

Klare Regeln

Neben Toleranz und Offenheit gelten klare Regeln. Alkohol und Drogen jeglicher Art haben im und ums «Pöstli» keinen Platz. Wer betrunken erscheint, wird weggeschickt oder es wird das Gespräch gesucht. Mit dem «Nichtraucherdrink » setzt das Team ein präventives Zeichen: Wer nicht raucht, erhält ein Gratisgetränk – auf Vertrauensbasis. Und wenn jemand Mist baut? «Das heisst nicht, dass man rausfliegt», betont Rahel. «Aber man muss Verantwortung übernehmen und es wiedergutmachen. Wir sind keine Polizisten. Wir sind da, um gemeinsam Wege zu finden.»

An der Bar können Getränke und Snacks zu fairen Preisen bezogen werden. Die Einnahmen fliessen direkt wieder ins «Pöstli» und werden für neue Anschaffungen oder besondere Aktionen verwendet. Zum Beispiel für regelmässige Events.

Auch ausserhalb zeigt das «Pöstli» Präsenz. Zum Beispiel am Weihnachtsmarkt oder an der Chilbi, wo die beliebten Gyros verkauft werden. Diese Sichtbarkeit im Dorf stärkt die Verbindung zur Bevölkerung und das Vertrauen der Jungen, denn sie wissen: Das «Pöstli» ist Teil ihrer Welt.

Isabella Schütz