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Gossau ZH
29.05.2025
02.06.2025 20:19 Uhr

Schliessung Haldenstrasse: Jetzt wehrt sich eine Bewohnerin

Gegen die Schliessung der Haldenstrasse werden aktuell Unterschriften gesammelt.
Gegen die Schliessung der Haldenstrasse werden aktuell Unterschriften gesammelt. Bild: ZO24
Seit dem 26. Mai 2025 ist die Haldenstrasse in Gossau ZH für den Durchgangsverkehr gesperrt. Die Sperrung hat hohe Wellen geworfen. Viele können den Entscheid nicht nachvollziehen. Eine Bewohnerin will nun mit einer Unterschriftensammlung erreichen, dass die Strasse wieder geöffnet wird. Mehr noch: Sie prüft rechtliche Schritte gegen den Beschluss des Gemeinderats.

Im Januar 2025 haben die Sanierungsarbeiten an der Grütstrasse in Gossau Dorf begonnen, die zwei Jahre dauern. Seither wird der Verkehr grossräumig über die Kantonsstrassen umgeleitet. Eine wichtige Verbindungsstrasse war die Haldenstrasse. Nun wurde diese auf Anordnung des Gemeinderats per 26. Mai 2025 gekappt (wir berichteten).

Entschluss wegen 80 Anwohnern

Anfang März 2025 zog der Gemeinderat ein erstes Fazit und kam zum Schluss, dass sich der Verkehr gut eingespielt habe. Die Haldenstrasse solle weiter offen bleiben, weil eine Sperrung vor allem auch den Verkehr innerhalb der Gemeinde sehr stark behindern würde, was zu vermeiden sei, hiess es damals.

Doch Anfang Mai machte der Gemeinderat eine Kehrtwende: Die Situation sei für die Anwohner der Haldenstrasse unzumutbar. Täglich würden 3‘000 Fahrzeuge die Haldenstrasse nutzen. Es sei eine Unterschriftensammlung von Anwohnern eingereicht worden, die Haldenstrasse zu sperren.

Wie es auf Anfrage von Zürioberland24 bei der Gemeinde heisst, waren es insgesamt 80 Unterschriften von Bewohnern der Haldenstrasse und Austrasse.

Bei der Gemeinde heisst es auf Anfrage: «Ursprünglich war es keineswegs das Ziel, die Haldenstrasse zu sperren – im Gegenteil: Die Gemeinde wollte diese ausdrücklich offenhalten. Doch der übergeordnete Schleichverkehr führte zu einer massiven Belastung des Quartiers, die mit den Zielsetzungen der Gemeinde nicht mehr vereinbar war – weder verkehrlich noch hinsichtlich der Sicherheit und der Lebensqualität.»

Nur noch mit Sonderbewilligung

Die Haldenstrasse passieren dürfen seit dem 26. Mai nur noch Anwohner der Haldenstrasse sowie Autofahrer mit einer Sonderbewilligung, für die bestimmte Kriterien erfüllt sein müssen. Beantragt werden kann die Sonderbewilligung bei der Gemeinde. Und das wurde bereits rege benutzt, wie es auf Anfrage von Zürioberland24 heisst: «Seit Inkrafttreten der Verkehrsanordnung gingen rund 750 Gesuche für eine Sonderbewilligung ein – rund 700 davon konnten positiv beurteilt werden», sagt Gemeindeschreiber Thomas-Peter Binder.

Jedes Gesuch werde einzeln geprüft. «Es ist uns wichtig, dass die Gossauerinnen und Gossauer in der Regel weiterhin Zugang zur Industrie (via Haldenstrasse) und ins Zentrum von Gossau-Dorf erhalten können, wo dies sinnvoll und verantwortbar ist.»

Nur ein Drittel des üblichen Verkehrs nutzte Haldenstrasse

Wie Remo Hürlimann, Leiter Bauabteilung bei der Gemeinde Gossau ZH, im vergangenen Herbst im Live-Stream über das Bauprojekt sagte, benutzen täglich 9'000 Fahrzeuge die Grütstrasse durchs Zentrum. An der Haldenstrasse wurden 3'000 Fahrzeuge am Tag gemessen. Das heisst: Nur ein Drittel des sonst üblichen Verkehrs passierte die Haldenstrasse. Der Grossteil nutzt demnach bereits die Umfahrung.

Heftige Reaktionen aus der Bevölkerung

Die Meldung über die Sperrung der Haldenstrasse verbreitete sich wie ein Lauffeuer, und der Beschluss wird heftig diskutiert, vor allem in den sozialen Medien. Die grosse Mehrheit kann den Beschluss nicht nachvollziehen. Die Rede ist gar von einem «Totalversagen des Konzeptes.» Wegen wenigen Anwohnenden seien nun viele Bewohner benachteiligt, so der allgemeine Tenor. Neben allgemeinem Unverständnis machen sich auch einige Sorgen um das bereits heute von der Situation gebeutelte Gewerbe im Zentrum.

Eine Person schreibt: «Solidarität ist der treibende Motor einer intakten humanen Gemeinschaft. Ganz Gossau ist betroffen durch die Baustelle, es werden Arbeiten durchgeführt, die für ganz Gossau wichtig sind. Viele Anwohner erreichen kaum mehr ihre Wohnungen, alle Geschäfte müssen Einbussen verkraften. Dass es die eher privilegiert lebenden Anwohner der Haldenstrasse nun geschafft haben, ein Fahrverbot durchzusetzen ist „gschämig“.»

Thomas-Peter Binder sagt dazu: «Die getroffenen Massnahmen wurden mit unterschiedlicher Resonanz aufgenommen: Die Gemeinde erhält sowohl verständnisvolle als auch kritische Rückmeldungen – insbesondere in den sozialen Medien. Wir nehmen diese Stimmen ernst. Die derzeitige Situation ist für niemanden befriedigend – und auch wir als Gemeinde sind alles andere als erfreut über die überaus lange Bauzeit. Wir arbeiten deshalb weiterhin aktiv mit dem Kanton zusammen, um spürbare Verbesserungen zu erreichen.»

Auf die Situation des Gewerbes angesprochen, sagt Thomas-Peter Binder: «Die Erreichbarkeit des Zentrums ist – mit Ausnahme der bekannten Einschränkungen rund um die Grütstrasse, Gossau-Dorf – nach wie vor gewährleistet. Dennoch ist es uns bewusst, dass sich die aktuelle Verkehrslage auf das lokale Gewerbe auswirkt. Wir setzen uns deshalb dafür ein, die Signalisation weiter zu verbessern – insbesondere, um die Sichtbarkeit und Erreichbarkeit der Gewerbebetriebe klarer zu machen. Auch hierzu stehen wir im regelmässigen Austausch mit dem Kanton.»

Sperrung rechtens?

Eine Person schreibt in einem Kommentar auf Facebook, dass er den Rechtsschutz kontaktiert habe. Er wollte wissen, ob die Sperrung einer öffentlichen Strasse aufgrund weniger Anwohner rechtlich haltbar sei.

Die Antwort des Rechtsschutzes gemäss Facebook-User: Nein, eine Gemeinde dürfe eine öffentliche Strasse in der Schweiz nicht nur aufgrund der Störung einiger Anwohner sperren. Es müsse ein öffentliches Interesse oder ein wichtiger Grund vorliegen, um eine Strasse zu sperren. Die Störung einiger Anwohner alleine sei dafür kein ausreichendes Argument. Öffentliche Strassen seien für den Gemeingebrauch bestimmt und dienten dem allgemeinen Verkehr und allen Personen. Sie könne nicht willkürlich gesperrt werden.

Eine Strassensperrung müsse ein öffentliches Interesse oder einen wichtigen Grund rechtfertigen. Die Störung einiger Anwohner sei zwar ein wichtiger Faktor bei der Entscheidungsfindung, aber nicht ausreichend, um eine Strassensperrung zu rechtfertigen. Die Gemeinde müsse alternative Massnahmen prüfen, wie z. B. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Fussgängerzonen, oder die Verlegung von Verkehrstrassen, bevor eine Sperrung in Betracht gezogen werde.

Die Gemeinde sieht das anders. Auf Anfrage von Zürioberland24 sagt Gemeindeschreiber Thomas-Peter Binder: «Die Verkehrsanordnung wurde im Juni 2024 rechtskräftig verfügt und amtlich publiziert. Die Gemeinde ist gemäss kantonaler Signalisationsverordnung für vorübergehende Verkehrsanordnungen auf Gemeindestrassen zuständig. Diese Verantwortung nehmen wir auch in der aktuellen Situation sehr ernst.»

Temporäre Strasse keine Option

Zürioberland24 wollte von der Gemeinde wissen, ob man den Bau einer temporären Umfahrungsstrasse, wie man es für die FBB in Gossau ZH getan hat, geprüft habe. Dazu Thomas-Peter Binder: «Aufgrund der Lage in der Landwirtschaftszone, der notwendigen Zustimmung zahlreicher privater Eigentümer/innen sowie der fehlenden Bewilligungsperspektive durch den Kanton musste auf dieses Vorhaben verzichtet werden. Auch wären die Kosten für eine solche Lösung kaum zu rechtfertigen gewesen.»

«Wir müssen uns nicht wundern, wenn wir in zwei Jahren keine Läden mehr im Zentrum haben.»
Carol Wiedmer, Initiantin der Unterschriftensammlung «Gegen die Schliessung der Haldenstrasse»

Unterschriftensammlung gestartet

Eine, die sich gegen diese Sperrung wehren will, ist Carol Wiedmer aus Gossau. Die Frau, die seit 1996 in Gossau wohnt, hat vor kurzem eine Unterschriftensammlung gestartet. «Ich kann nicht nachvollziehen, dass eine Strasse, die allen gehört, für ein paar wenige gesperrt wird.» Vor allem deshalb, weil es sich um eine befristete Situation handle.

«Ich tue das vor allem für das Gewerbe. Mit der Sperrung der Haldenstrasse verhindert man jetzt ganz, dass die so wichtigen Kunden aus den Nachbargemeinden nach Gossau kommen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Bis dann orientieren sich die Kunden um und kehren nicht zurück. Wenn wir nichts unternehmen, haben wir in zwei Jahren zwar eine tolle neue Strasse, aber keine Läden mehr im Zentrum. Die Papeterie ist ja bereits zugegangen und die Dorf-Drogerie musste schon Personal entlassen.»

«Den langfristigen Erhalt des Gewerbes sollte der Gemeinderat höher gewichten als die kurzfristigen Bedürfnisse von ein paar wenigen Anwohnern.»
Carol Wiedmer

Vom Gemeinderat ist Wiedmer enttäuscht. «Mit der Sperrung teilt er die Gemeinde in zwei Lager – in das der Haldenstrasse und in das vom Dorf. Das trägt nicht zu einem guten Miteinander bei. Den langfristigen Erhalt des Gewerbes sollte er doch unterstützen und höher gewichten, als die kurzfristigen Bedürfnisse von ein paar wenigen Anwohnern.»

Natürlich sei die Situation für die Anwohner der Haldenstrasse nicht schön, aber das sei sie auch für alle anderen nicht. «Über die betroffenen Anwohner entlang der Grütstrasse beispielsweise, die zwei Jahre lang Lärm, Schmutz und Einschränkungen hinnehmen müssen, redet niemand.»

Entsetzt habe sie auch die Haltung des Gewerbevereins in der Sache. Gegenüber der Gossauer Post sagte die Gewerbevereins-Präsidentin neulich im Zusammenhang mit der Sanierung der Grütstrasse, dass ja nur 8 von 100 Mitgliedern betroffen seien. «Ein Hohn für die betroffenen acht Gwerbler!»

Neben der Unterschriftensammlung, die auf grosses Echo gestossen sei, prüft die Anwältin nun auch noch rechtliche Schritte. «Mir scheinen diese Sonderbewilligungen doch sehr willkürlich. Und der administrative Aufwand für diese ist unnötig. Wer mitunterzeichnen oder sich mit mir in Verbindung setzen möchte, kann sich per E-Mail gemeinsamfuergossau@gmx.ch bei mir melden.»

Alles rund um die Sanierung der Grütstrasse und die Verkehrssituation in Gossau ZH findest du im Themen-Dossier auf Zürioberland24.

Barbara Tudor