Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Gossau ZH
02.05.2025
02.05.2025 08:17 Uhr

Sanierung Grütstrasse: «Es fehlt die Sichtbarkeit»

Die Geschäfte im Zentrum würden sich wünschen, mit Name sichtbar zu sein.
Die Geschäfte im Zentrum würden sich wünschen, mit Name sichtbar zu sein. Bild: bt
Seit die Sanierung der Grütstras­se in Gossau ZH begonnen hat, scheint sich alles normalisiert zu haben. Nicht aber für das Gewerbe im Zentrum und für die An­wohnenden der Haldenstrasse.

Am 13. Januar 2025 haben die lange angekündigten Sanierungsarbeiten begonnen. Die Gemeinde zog Ende März ein erstes Fazit: Die Verkehrsumstellung habe bereits in den ersten Tagen gut funktioniert. Auch beim kantonalen Tiefbauamt heisst es auf Anfrage, dass alles nach Plan verlaufe und sich die Umleitungen bewähren. Doch das scheint nur die eine Seite der Medaille zu sein. Denn hört man sich bei Anwohnern und beim Gewerbe im Zentrum um, sieht es anders aus.

Haldenstrasse wird zur Langweidstrasse

Die offen gehaltene Haldenstrasse wird von vielen Verkehrsteilnehmern genutzt. Gemäss Angaben der Gemeinde sind es über 3000 Fahrzeuge pro Tag – so viele, wie die Anwohner der Langweidstrasse im Grüt seit Jahren erdulden müssen. «Dass die Haldenstrasse als Umfahrungsstrasse genutzt wird, macht uns Sorgen», schrieb ein Anwohner an die Redaktion. Das Verkehrsaufkommen führe nicht nur zu einer erheblichen Lärmbelästigung, sondern auch zu einer erhöhten Gefahr für Anwohner, Kinder und Tiere.

Lastwagenverbot

Ihren Unmut haben die Anwohner von Halden- und Austrasse über eine Unterschriftensammlung zum Ausdruck gebracht, wie die Gemeinde auf Anfrage bestätigt. «Das grosse Verkehrsaufkommen belastet die Anstösser und sie fordern eine Entlastung. Wir sind mit Vertretern der Haldenstrasse in Kontakt», sagt Simone Künzli, Bereichsleiterin Öffentlichkeitsarbeit. Auch mit dem Kanton sei man im regelmässigen Austausch.

Die Gemeinde hat inzwischen weitere bauliche Massnahmen ergriffen. «Für die Sicherheit der Kinder wurde ein Zebrastreifen markiert, der auch nach Beendigung der Bauarbeiten bleiben soll. Dazu musste die Beleuchtung verbessert werden, was mit dem Setzen eines zusätzlichen Kandelabers geschehen ist. Somit wird den Kindergartenkindern ein noch grösserer Schutz geboten», so Künzli. Umgesetzt wurde ausserdem ein Fahrverbot für LKW. Für Lastwagen des Gossauer Gewerbes soll es Sonderbewilligungen geben.

Problem: Zufahrt und Signalisierung

Von der Baustellensituation betroffen sind auch die Geschäfte im Zentrum. Nicole Hengartner von der Natürlich Drogerie: «Wir erleben seit Beginn der Baustelle rückläufige Kundenzahlen.» Auch Daniela Audino-Bosshard vom Coiffeursalon szenHAARio muss Kundenverluste verzeichnen.

Die Hauptursache verorten beide in der langen Bauzeit, der erschwerten Zufahrt und in der mangelnden Signalisierung. «Wir sind schlicht nicht mehr sichtbar», sagt Daniela Audino-Bosshard bekümmert. «Es wurden ja nicht nur unsere eigens bezahlten Werbebeschriftungen an der Kreuzung entfernt.» Auch dass der Verkehr grossräumig von Gossau umgeleitet wird und der Ortsname Gossau bei der Autobahnausfahrt in Oetwil durchgestrichen ist, sei nicht hilfreich. Die fehlende Beschriftung ist auch für Jenny Markulin vom Coiffeursalon cut’N’beauty ein Nachteil, wie sie auf Anfrage bestätigt. Besuche für Spontantermine gebe es seit Januar kaum mehr, aber Kundenverluste habe sie bislang nicht verzeichnen müssen.

Die Zufahrt zum Zentrum und zu den dortigen Tiefgaragen beschäftigt auch die Accum. «Wir stehen in regelmässigem Kontakt zu den Mietern und arbeiten gemeinsam mit Gemeinde und Tiefbauamt darauf hin, mit Hinweistafeln stärker auf die weiterhin mögliche Zufahrt hinzuweisen und die Verkehrsführung zu verbessern », sagt Martin Trepp von der Accum auf Anfrage.

Weniger Laufkundschaft

«Neben Gossauer Kundschaft sind wir auch abhängig von Kunden aus den umliegenden Gemeinden und von Durchfahrenden. Die bleiben jetzt grösstenteils weg», sagt Nicole Hengartner betroffen. Einige auswärtige Kunden hätten sich bereits Ende 2024 verabschiedet, weil ihnen die offizielle Umleitung zu aufwändig sei. «Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Wir befürchten, dass sich viele in dieser Zeit anderweitig orientieren und nicht zurückkommen.» Natürlich habe man die Kunden im Vorfeld informiert und man biete auch Hauslieferdienst an. «Aber das nützt wenig.» Man sei auf verschiedenen Ebenen aktiv und versuche, Lösungen zu finden. «Wir wollen nicht aufgeben und weiterhin eine wichtige Anlaufstelle für Gesundheitsfragen sein.»

Auch das Blumengeschäft vivus und die Dorfapotheke sind von einem Rückgang der Laufkundschaft betroffen, wie beide auf Anfrage bestätigen. Susanne Cahenzli findet die Signalisation um ihr Geschäft nicht ideal: «Wir verstehen, dass die Sicherheit oberste Priorität hat, doch die aktuelle Situation ist nicht nachvollziehbar. Statt dass der Kanton mit den involvierten Parteien nach geeigneten Lösungen sucht, handelt er in Eigenregie.» Bei der Dorfapotheke sei vor allem der erschwerte Zugang ein Hinderungsgrund. Als Massnahme bietet sie ebenfalls Hauslieferung an.

«Wir mussten mit grossem Bedauern unser Team verkleinern, um den sinkenden Kundenzahlen entgegenzuwirken.»
Nicole Hengartner, Inhaberin der Natürlich Drogerie

Bereits Stellenabbau

Die rückläufigen Umsätze haben erste personelle Konsequenzen. Nicole Hengartner: «Wir mussten mit grossem Bedauern unser Team verkleinern, um den sinkenden Kundenzahlen entgegenzuwirken. Diesen Schritt zu gehen, war emotional eine grosse Belastung. Dieses grossartige Team – viele arbeiten schon seit Jahrzenten zusammen – wegen der Baustelle auseinanderzureissen, stimmt uns sehr traurig.» Dankbar und sehr froh sei sie, dass es für die Betroffenen eine Anschlusslösung in anderen Betrieben gebe. Auch Daniela Audino ist betroffen: «Wir mussten inzwischen ebenfalls personelle Massnahmen ergreifen.»

Auch Migros und Coop betroffen

Wie Coop auf Anfrage schreibt, verzeichnet auch der Grossverteiler Umsatzeinbussen. Die Forderungen an Gemeinde und Kanton sind die gleichen wie bei den kleinen Geschäften: die Bauzeit möglichst kurz halten und die Signalisierung verbessern. Migros bestätigt auf Anfrage, dass die Baustelle nicht ideal für sie sei, wollte aber keine Angaben zur Umsatzentwicklung machen.

Wenig Gehör beim Kanton

Auf die Signalisation angesprochen, schreibt das Tiefbauamt, dass die Beschriftung der Gewerbetreibenden im Zentrum «ein Thema» sei. Die Werbetafel mit Logos habe aus Platzgründen entfernt werden müssen und werde voraussichtlich bis zum Bauende nicht mehr aufgestellt. Sie werde nach Abschluss der Bauarbeiten aufgrund der veränderten Strassengeometrie zudem an einem neuen Standort montiert. Die Signalisation bei der Autobahnausfahrt in Oetwil entspreche der offiziellen Verkehrsführung.

Bezüglich Haldenstrasse schreibt das Amt: «Die offizielle grossräumige Umleitung ist via Ottikon und Forchautostrasse signalisiert. Für den Durchgangsverkehr ist dies die attraktivere Route und wird gemäss unseren Verkehrszählungen auch so angenommen.» Die Haldenstrasse sei auf Begehren des lokalen Gewerbes und der Bevölkerung für den Verkehr vor allem im Zusammenhang mit der Industrie von Gossau und für den innerörtlichen Verkehr offen gelassen.

Kein «Schilderwald»

Von Seiten Gemeinde heisst es, dass man das Gewerbe im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstütze. So habe man z. B. die Wegweisung «Einkaufszentrum» mit dem Kanton zusammen verbessert. Einzelne Unternehmen würden grundsätzlich vom Kanton nicht signalisiert, «weil das zu einem Schilderwald führen würde», schreibt Simone Künzli. «Werbung für einzelne Geschäfte müsste von diesen selbst initiiert werden und auf Privatgrund stehen.» Für Werbung an Fassaden oder dergleichen brauche es eine Bewilligung. «Für diese Verfahren haben wir seitens Gemeinde eine unkomplizierte und schnelle Abwicklung in Aussicht gestellt, und bei den Bewilligungsgebühren können wir den Gewerbetreibenden entgegenkommen», so Künzli.

Gewerbeverein sieht keinen Handlungsbedarf

Silvia Berger, Präsidentin des Gewerbevereins, schreibt auf Anfrage, dass die Baustelle bei mehreren Sitzungen ein Thema gewesen sei. «Wir sahen jedoch keinen Handlungsbedarf», zumal ihnen die Hände gebunden seien und sie in dieser Sache auch kein Mitbestimmungsrecht hätten. Ausserdem seien gerade einmal acht Mitglieder von hundert betroffen. Es sei nicht Aufgabe des Gewerbevereins, in solchen Fällen proaktiv zu handeln.

Es fängt gerade erst an

Nicht nur die aktuelle Situation bereitet den Ladenbetreibern im Zentrum Sorgen, auch die anstehenden weiteren Bauprojekte im Zentrum, die noch Jahre dauern werden. In Kürze beginnen die Arbeiten für die Überbauung auf dem ehemaligen «Angst»-Areal, für das die Tiefgaragenzufahrt zu Coop zeitweise nur einspurig und mit Lichtsignalanlage erreichbar sein soll. Dann folgt die Gesamtüberbauung der Accum.

Viele Hürden – ein Appell

Die Geschäfte im Zentrum sind unterschiedlich betroffen, aber sie haben die gleiche Botschaft: Sie sind sehr dankbar für ihre treue Kundschaft und appellieren an alle, auch in dieser Zeit bewusst im Dorf einzukaufen, auch wenn es umständlich ist.

Bauetappen

Ab Mai 2025 wird gemäss Tiefbauamt das Bachprovisorium in Betrieb genommen, sodass mit dem Abbruch und Neubau des heutigen Bachdurchlasses begonnen werden kann. Mit der Inbetriebnahme des Bachprovisoriums wird von Mai bis August 2025 der Abschnitt zwischen der Büelgass und der Grütstrasse 8 auch für die Anwohnenden gesperrt sein. Gleichzeitig wird auch in den anderen Abschnitten bis zur Laufenbachstrasse weitergebaut.

Infos gibt’s im Themendossier auf Zürioberland24: www.zuerioberland24.ch/dossiers/sanierung-gruetstrasse

Barbara Tudor
Demnächst