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Leserbrief
Wetzikon
08.06.2024

Wärmeverbund: «Ich hoffe, ich werde den Abbruch dieses Projektes noch erleben»

Die Projektleitenden freuen sich über den Spatenstich, Zürioberland24-Leser Fridolin Voegeli nicht.
Die Projektleitenden freuen sich über den Spatenstich, Zürioberland24-Leser Fridolin Voegeli nicht. Bild: Stadt Wetzikon/Barbara Faissler
Zürioberland24-Leser Fridolin Voegeli übt Kritik am vielgelobten «Mehrgenerationen»-Fernwärmeprojekt in Wetzikon. Neben groben Berechnungsfehlern sieht er auch massive weitere Kosten auf die Wetziker Steuerzahler zukommen.

Wieder haben nebenamtliche Stadträte und unterbeschäftigte Beamte, als «Möchtegern-Verwaltungsräte»", die aber alle nichts von der Sache verstehen und noch nie solche Projekte geführt haben, ein «Mehrgenerationenprojekt» aufgerissen. 15 Jahre lang, mit Millionen Planungskrediten, unterstützt von teuren Beratern und Ingenieuren, die Arbeit und Aufträge für ihre Baufirmen suchen: Eine Fernwärme-Versorgung, in Teilen der Stadt: Ein «stolzes Mehrgenerationenprojekt», das gesamthaft rund 110 Millionen Franken kostet und in ca 17 (!) Jahren erstellt werden soll.

Wieder wurde das Projekt in eine AG eingebracht, nach dem Beispiel der (damals noch) erfolgreichen GZO AG: Mit 500'000 Franken Aktienkapital hat die Fernwärme AG nun begonnen zu buddeln für ein nachhaltigeres Wetzikon. Mehr soll uns Steuerzahler das Projekt ja nie kosten, haben die nebenamtlichen VRs uns versprochen.

Die (Millionen-teuren) Machbarkeitsstudien hätten Stimmbürger und Stadtparlament (!) nur «geschwärzt» einsehen können, «was aber zu viel Aufwand im Stadthaus verursacht hätte».

Der Businessplan der Fernwärmegesellschaft ist darauf ausgerichtet die gesamten Investitionen über deren Lebenszeit zu refinanzieren und gesamthaft einen Gewinn zu erwirtschaften. (Urnenweisung S.6)

«Der Businessplan ist natürlich anonym, wie es sich für eine 'societé anonyme' ja auch gehört». (Originalton Stadthaus)

Zum «demokratischen Prozess in Wetzikon»:

Instruktiv ist die sog. Diskussion im Parlament [Urnenweisung S.22, Audio]: In knapp 50 Minuten hat das Stadtparlament die Vorlage des 110 Millionen Mehrgenerationenprojektes beraten. Unter dem Druck der (mit Stadtangestellten gefüllten) Tribüne, haben 29 Parlamentarier zugestimmt, 1 getraute sich dagegen zu votieren und zu stimmen, 1 enthielt sich der Stimme: fast wie im Parlament in Nordkorea.

16 Monate später erst, knapp 3 Wochen vor dem Abstimmungswochenende, wurden die Urnenweisungen versandt. Damit man in der Gemeinde möglichst lang nicht über Details diskutieren und ev. hinterfragen konnte. (Wie auch heute, bei der Diskussion und Abstimmung über das Jahrhundert-Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien!)

Ich versuchte, das Projekt abzuschätzen und einen Rekurs an den Bezirksrat zu schreiben. Das Suchen nicht (mehr) öffentlicher Unterlagen und Zahlen war sehr schwierig, auch die Auswertung und Folgerungen: Ich brauchte mehr als eine Woche für diese Arbeit.

2 Tage vor dem Abstimmungswochenende teilte mir der Bezirksrat mit, ich hätte die Rekursfrist von 5 Tagen überschritten: «Auf den Rekurs von FV wird nicht eingetreten.» (Für seinen «Nichteintretens-Beschluss» liess sich der Bezirksrat 10 Tage Zeit.)

Nun hat der Spatenstich also stattgefunden, mit prächtigen Fotos der nebenamtlichen Stadträte und nebenamtlichen Verwaltungsräte, wie sie unbeholfen den Spaten in die Erde stecken oder auf einem Baubagger wie kleine Buben am Steuerrad drehen dürfen.

Aber sie verstehen immer noch nichts von solchen «Mehrgenerationenprojekten» und noch weniger von Wärmeversorgung, obwohl sie schon bald 15 Jahren darum herum rechnen und üben. Und so kommt denn viel fehlerhafter Unsinn raus, der aber katastrophale Auswirkungen haben wird: Die «Nebenamtlichen» haben jetzt noch nicht verstanden, dass die wichtigste Grösse für die Auslegung der Wärmeversorgung einer Wohnstadt die Spitzenleistung ist, welche am kältesten Tag noch abgegeben werden muss, ohne Unterbruch, ausfallsicher.

Sie schreiben zwar ab:

«Alle Fernwärmenetzte müssen mit einer oder mehreren Spitzenlastzentralen ausgerüstet werden. Diese werden dann zugeschaltet, wenn aufgrund des hohen Wärmebedarfs (insbesondere in den kältesten Wintertagen) die Wärme aus der KEZO und der ARA nicht ausreicht. Der Anteil der Spitzenlast beträgt ca. 6%. Eine Auslegung der Wärmenetze auf den Spitzenbedarf wäre sehr teuer und würde zu nicht konkurrenzfähigen Wärmepreisen führen. …» [Urnenweisung S. 16]

Diese 6% sind die einzige technische Zahl in der Urnenweisung, und sie sind falsch gerechnet: Die abzudeckende Spitzenlast ist 14 MW, d.h. 42%, nicht 6%.

Dem Stadtrat nehmen wir nicht ab, dass er diesen «Abschreibfehler» nicht erkannt hat! Und so hat er versucht zu verheimlichen, dass er für die Produktion dieser Spitzenlast auf den ca. 40% des Gemeindegebietes noch zusätzliche 5–7 Energiezentralen bauen muss, alle ca. in der Grösse und Leistung wie die Energiezentrale der ARA Flos [S.12].

Wir können nicht sehen, wo diese Zentralen hingestellt werden sollen, und wir können nicht sehen, wo diese zusätzlichen Investitionen einkalkuliert sind? (Vorsichtige Schätzung: ca. 5 bis 7 mal 15 Millionen Franken; die Energiezentrale der ARA Floss wird irgendwo einmal mit 15 Millionen budgetiert.)

Aufmerksam gemacht auf diesen groben Fehler, hat der nebenamtliche Stadtrat und nebenamtliche Verwaltungsrat nur noch geflunkert:

«…In die Planung einbezogen ist auch die Realisierung eines oder mehrerer grosser (Wasser-) Speicher, um Energie vom Sommer für den Winter zu speichern und so den Spitzenlastanteil weiter zu reduzieren.» [Urnenweisung S 17]

Nach Adam Riese benötigen die ca. 5 GWh zusätzliche Wärme-Energie für die Wintermonate ca. 100'000 m3 Wasser von 70–80°C: 10 je 30 m hohe, isolierte Wassertürme plus Zentralen dazu! Neue Wahrzeichen für Wetzikon?

Für mehr Ungereimtes zum Projekt und zu den resultierenden katastrophalen Folgekosten für die Steuerzahler von Wetzikon, lesen Sie in den drei angefügten Dokumenten (Urnenweisung Stadt Wetzikon vom 18.6.23, Rekurs an Bezirksrat vom 3.6.23 und Wärmelieferung Wetzikon).

Ich hoffe, ich werde den Abbruch dieses Projektes möglichst bald noch erleben. Jeder Tag, den sie länger buddeln, bringt uns mehr Kosten und Aktionärsdarlehen. Und am Ende, nach vielleicht 17 Jahren, nur eine neue Heizung, die viel teurer ist als heute oder bei den «verschonten» Hauseigentümern.

Fridolin Voegeli, Wetzikon
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