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Gossau ZH
07.10.2022
12.10.2022 08:24 Uhr

«Ich würde die Daten nicht nutzen, selbst wenn ich sie bekäme»

Ein sensibler Umgang mit Daten ist wichtig, ist Barbara Tudor überzeugt.
Ein sensibler Umgang mit Daten ist wichtig, ist Barbara Tudor überzeugt. Bild: Zürioberland24
Die Gemeinde Gossau ZH hat einer Firma aus Egg ZH die Adressdaten von Gossauerinnen und Gossauern herausgegeben, um damit kommerzielle Werbung zu betreiben. Für Barbara Tudor, Herausgeberin von Zürioberland24 und Verlegerin von Lokalzeitungen, ein "No-Go".

Die Gemeinde Gossau ZH hat dem Verlag vom «Gossauer Info» offenbar Adressdaten der Gossauer Bevölkerung herausgegeben, welche dieser dann für einen Werbebrief verwendet hat. Das ist gemäss Datenschutzbeauftragte des Kantons Zürich nicht korrekt (Zürioberland24 berichtete).

Zürioberland24 hat Barbara Tudor, Herausgeberin von zwei Lokalzeitungen in der Region, Betreiberin dieses Online-Portals und Inhaberin einer Marketing-Agentur in Gossau ZH, dazu befragt.

Zürioberland24: Was hältst du davon, dass die Gemeinde offenbar Adressdaten von ihren Einwohnern an ein Unternehmen herausgegeben hat?

Barbara Tudor: Das erstaunt mich ehrlich gesagt sehr und kann ich mit der aktuellen Kenntnislage nicht nachvollziehen.

Warum?

Weil das Thema Datenschutz etwas ganz Sensitives ist, nicht nur bei postalischen Adressen. Die Menschen reagieren heute in der (Werbe)-Flut von Informationen verständlicherweise gereizt. Von einer öffentlichen Stelle erwartet man diesbezüglich sicherlich eine besonders achtsame Handhabe. Die Daten, welche die Gemeinde von ihren Bewohnenden speichert und nutzt, brauchen einen ganz besonderen Schutz.

Der Verlag Gossauer Info ist ja kein "Fremder" für die Gemeinde, und offenbar wird das seit Jahren so gehandhabt.

Natürlich ist der Verlag der Gemeinde nicht fremd. Darum geht's aber bei der Kritik des Gossauer Ehepaars nicht. Es geht um die Frage, wann Adressen herausgegeben werden dürfen und wann nicht. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob jemand bekannt oder unbekannt ist und ob man das schon seit Jahren so gemacht hat. Es gibt gesetzliche Rahmenbedingungen. Gemäss Datenschutzbeauftragte dürfen Adressen der Bewohner nur eingeschränkt und für "ideelle Zwecke" herausgegeben werden. In diesem Fall ging es aber nicht um eine Wohltätigkeitssache oder um einen lokalen Verein, der Gemeinnütziges leistet. Es ist nicht Aufgabe einer Gemeinde, beim Umsatzgenerieren einer Firma zu helfen, und schon gar nicht mit Personendaten der Bürger:innen. Von daher kann ich die Kritik des Ehepaars verstehen.

«Stell dir vor, wenn jede Firma von Gossau, die Gutes für die Bevölkerung tut, die Adressen der Bewohner für Werbezwecke beziehen und anschreiben könnte...»
Barbara Tudor, Verlegerin und Inhaberin einer Marketing-Agentur in Gossau ZH

Das «Gossauer Info» leistet doch auch Gemeinnütziges!

Klar leistet das «Gossauer Info» wertvolle Arbeit. Ich kenne die Verlegerin. Sie betreibt das Magazin seit über 30 Jahren mit Herzblut. Eine "goldene Nase" verdient man sich in dem Business schon lange nicht mehr. Trotzdem ist es am Ende des Tages kein Verein oder sonst eine Non-Profit-Organisation, die das ehrenamtlich und selbstlos macht, sondern ein wirtschaftlich agierendes, im Handelsregister eingetragenes Unternehmen, das Gewinne erwirtschaften will. Mit dem Werbebrief wollte der Verlag nichts anderes als Geld verdienen. Das ist selbstverständlich legitim, aber dieser Weg ist meiner Meinung nach der falsche. Die Handhabe der Gemeinde darf hinterfragt werden. Dass das offenbar schon Jahre so gemacht wird, macht es nicht eben besser.

Stell dir vor, wenn jede Firma von Gossau, die Gutes für die Bevölkerung tut – und davon gibt es viele – die Adressen der Bewohner für Werbezwecke beziehen und anschreiben könnte...

Kannst du das Vorgehen des Gossauer Verlags nachvollziehen?

Jein. Ich verstehe voll und ganz, dass der Verlag einen Spendenaufruf macht. Auch am Inhalt des Briefes an sich gibt es überhaupt nichts auszusetzen. Er ist sympathisch formuliert und wohlwollend. Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, ist, warum man überhaupt auf die Adressen der Gemeinde zurückgreifen musste und ein so kostspieliges Mailing realisiert hat mit Druck-, Papier-, Couvert- und Portokosten. Der Spendenbrief hätte doch auch einfach direkt im nächsten Magazin beigesteckt werden können. Das wäre auch viel näher an der Leserschaft gewesen.

Du berätst mit deiner Agentur verschiedene KMUs bei ihren Kommunikations-Massnahmen. Adressen sind "wahres Gold" in der Werbung...

Das ist so. Jede Adresse, die man per Post oder per E-Mail für Werbezwecke nutzen kann, ist für Firmen, aber auch für Non-Profit-Organisationen äusserst wertvoll. Man sagt ja nicht umsonst, dass die Adressen das Herz eines Unternehmens sind. Umso wichtiger ist es, dem auch entsprechend Sorge zu tragen, sie zu pflegen.

Zum Beispiel?

Wenn ein Unternehmen oder eine Organisation in einem guten, laufenden Dialog mit den Kunden ist, verfügt es über genügend Adressen und kann diese laufend ausbauen. Newsletters, das Betreiben von Social-Media-Kanälen und andere Massnahmen sind gute Hilfsmittel, einerseits zur Kundenbindung, andererseits zur Neukundengewinnung.

Meldet sich eine Person für einen solchen Service an oder folgt sie einem Unternehmen in den sozialen Medien, hat sie Interesse und möchte mehr über die Firma oder die Organisation erfahren. Das ist ein Geschenk und muss entsprechend mit Respekt behandelt werden. Darum darf man den Bogen nicht überspannen. Wird's zu "werberisch", klinken sich viele aus. Die Menschen müssen einen konkreten Mehrwert oder einen Nutzen sehen, um dabei zu bleiben.

Hand aufs Herz: Wenn du die Adressen der Gossauer Bewohner oder von einer anderen Gemeinde bekommen könntest, würdest du sie auch nutzen, oder?

Nein, das würde ich nicht. Es ist mir in meiner Tätigkeit sowohl für unsere eigenen Produkte als auch in der Beratung unserer Kunden wichtig, dass man die Grenze und die Privatsphäre der Menschen immer respektiert und nicht "um jeden Preis" an Adressen oder Daten kommen will. Man kann auch auf anderen, sympathischen Wegen an die Zielgruppe gelangen. Nur braucht das halt etwas mehr Zeit, laufende Pflege und man muss auch bereit sein, etwas dafür zu bezahlen. Das ist am Ende nachhaltiger.

Zürioberland24