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Rüti ZH
29.10.2025
29.10.2025 08:39 Uhr

GZO-Direktor: «Um die Vergangenheit müssen wir uns später kümmern»

Yvonne Bürgin, Gemeindepräsidentin von Rüti, erläuterte den Anwesenden, warum sich der Gemeinderat gegen den GZO-Kredit ausgesprochen hat.
Yvonne Bürgin, Gemeindepräsidentin von Rüti, erläuterte den Anwesenden, warum sich der Gemeinderat gegen den GZO-Kredit ausgesprochen hat. Bild: Barbara Tudor
Am 28. Oktober 2025 lud der Gemeinderat Rüti zur Informationsveranstaltung zur GZO-Abstimmung ein. Rede und Antwort standen auch Vertreter des GZO-Spitals. Viele Fragen blieben dennoch offen. Für Verwunderung sorgte eine Aussage von GZO-Direktor Hansjörg Herren.

Am 30. November 2025 stimmen mehrere Aktionärsgemeinden über die Kapitalerhöhung bei der GZO AG ab. Der Gemeinderat Rüti lehnt die Kapitalerhöhung ab (wir berichteten). Am 28. Oktober 2025 lud er die Bevölkerung zu einer Informationsveranstaltung ein, bei der auch Vertreter der GZO AG anwesend waren.

Grosses Interesse, viele Fragen

Der Saal im Zentrum Breitenhof war bis auf den letzten Platz gefüllt, einige mussten die Veranstaltung stehend verfolgen. Pünktlich um 19 Uhr begrüsste Gemeinderat Peter Weidinger die Gäste und führte in den folgenden zwei Stunden durch den Abend.

Als Erste trat Gemeindepräsidentin Yvonne Bürgin ans Rednerpult. Sie erklärte den Anwesenden, weshalb sich der Gemeinderat gegen den Kreditantrag der GZO AG stellt und die Vorlage zur Ablehnung empfiehlt.

Bürgin begann ihre Rede mit den Worten: «Ich stand heute am Fussgängerstreifen und ein Regio144-Wagen mit Blaulicht fuhr an mir vorbei. In solchen Momenten wird einem bewusst, wie wichtig dieser Rettungsdienst ist. Wie wichtig die Gesundheit ist. Ich erinnerte mich zurück, wie man damals in Rüti geschockt war, als das Spital Rüti schloss. Man machte sich grosse Sorgen über die Gesundheitsversorgung, hatte viele Fragen. Die Menschen fragten sich: Wo werden die Älteren jetzt behandelt, wo bringe ich mein Kind zur Welt, wo doch ich schon im Spital Rüti geboren wurde?» Heute stehe man mit dem GZO erneut vor schwierigen Entscheidungen – vor ökonomischen und zutiefst menschlichen.

Damit brachte Bürgin den Kern der Problematik schon zu Beginn der Veranstaltung auf den Punkt. Dass die Menschen sich mit einem Thema konfrontiert sehen, das viele Facetten hat. Das sich nicht so leicht mit Ja oder Nein, gut oder schlecht beantworten lässt. Das sehr persönlich, individuell und zuweilen auch emotional behaftet ist.

Die wohl grösste Fehlentscheidung: Der Neubau 

Die Schweiz verfüge über eine überdurchschnittlich hohe Spitaldichte, führte Bürgin aus. Die Spitäler seien mit aktuellem Gesetz unter Druck, um rentabel operieren zu können. «Das GZO ist nicht das einzige Spital, das mit dem Ausbau von Leistungen Gegensteuer geben wollte», so Bürgin.

Bürgin rekapitulierte die vergangenen zehn Jahre und ging auf die Zeit ein, in der wohl die grösste Fehlentscheidung in der Geschichte des GZO getroffen wurde: Die GZO AG zeichnete im Jahr 2014 eine Anleihe über 170 Millionen Franken und nahm zusätzlich ein Schuldschein-Darlehen von 60 Mio. Franken für den geplanten Neubau auf, also insgesamt 230 Millionen Franken.

Zur gleichen Zeit liefen Verhandlungen über eine mögliche Fusion mit dem Spital Uster, die jedoch platzte. «Der Gemeinderat Rüti hatte die Fusion unterstützt, aber schon damals gewarnt, dass das Eigenkapital der GZO AG zu tief und unzureichend sei», erläuterte Bürgin.

Die Aktionärsgemeinden hätten sich später immer wieder erkundigt, ob das alles klappe und die Refinanzierung der Anleihe gesichert sei. Man habe den Gemeinden stets versichert, dass man alles im Griff habe. Doch dann, im Frühling 2024, wurde klar: Das GZO ist nicht in der Lage, die Anleihe zurückzuzahlen, und ein wichtiger Investor, für den sogar die Eigentümerstrategie geändert wurde, sprang ab. Um das Spital vor dem Konkurs zu bewahren, wurde die Nachlassstundung eingeleitet.

«Was mir bis heute niemand erklären konnte: Was ist mit den 230 Millionen Franken für den geplanten Neubau passiert?»
Yvonne Bürgin, Gemeindepräsidentin von Rüti ZH

Vertrauen hat gelitten

Die Aktionärsgemeinden kamen zusammen, bildeten einen Ausschuss mit fünf Gemeindevertretern, zu denen anfänglich auch Yvonne Bürgin gehörte. Geleitet wird der Ausschuss vom Wetziker Stadtpräsidenten Pascal Bassu.

«Dieser Ausschuss stellte ein Expertengremium zusammen, weil das Vertrauen gegenüber dem GZO-Management nur noch bedingt vorhanden war», erklärte Bürgin den Anwesenden. Wieder habe man den Gemeinden versichert, dass alles gut komme.

Dann, im Herbst 2024, trat der Verwaltungsrat zurück und ein neuer wurde gewählt. Zur gleichen Zeit wurde ein Businessplan präsentiert und die GZO AG stellte bei den Aktionärsgemeinden Antrag für eine Kapitalerhöhung von 50 Mio. Franken.

Zentrale Frage ungeklärt

«Was mir bis heute niemand erklären konnte: Was ist mit den 230 Millionen Franken für den geplanten Neubau passiert?», sagte Bürgin in die Runde. «Gemäss Angaben wurden 90 Millionen investiert. Wo sind die restlichen 140 Millionen verblieben?» Auch habe ihr bis heute niemand erklären können, warum der geplante Neubau nach zehn Jahren noch nicht fertiggestellt ist. «Bis heute haben wir keine nachvollziehbare Aufschlüsselung erhalten, das Vertrauen hat gelitten.»

Der Gemeinderat Rüti habe sich kritisch hinterfragt, ob er früh genug gehandelt habe. Bürgin kommt zum Schluss: «Ja! Wir waren an allen Sitzungen und Versammlungen dabei, gehörten zu den kritischen Gemeinden, hatten auf das sinkende Eigenkapital hingewiesen und auch mehrfach die Spitalleitung diesbezüglich angefragt.» Doch man sei eben doch nur eine von zwölf Gemeinden und habe beschränkten Einfluss gehabt.

Businessplan überzeugt nicht

Der Gemeinderat Rüti habe sich intensiv mit dem Businessplan auseinandergesetzt, mit dem die Zukunft des GZO-Spitals sichergestellt werden soll. Dieser basiert auf drei Säulen: Einer Betriebsoptimierung, einem Schuldenschnitt, bei dem die Gläubiger (Banken, Versicherungen, Handwerker, Mitarbeitende, Anm. d. Red.) auf 70 Prozent ihrer Forderungen verzichten sollen, und aus der 50-Millionen-Kapitaleinlage durch die Aktionärsgemeinden.

Dieser 3-Säulen-Plan überzeugt den Rütner Gemeinderat nicht. Bürgin führte aus, warum.

Der Businessplan rechne mit steigenden Zahlen im stationären Bereich, obwohl diese seit Jahren rückläufig seien. Auch die Umsatzprognosen sind nach Ansicht des Rütner Gemeinderates zu optimistisch. «Selbst wenn alles gemäss Businessplan laufen würde, wäre nicht mehr als ein EBITDA von 8 Prozent möglich. Der Kanton Zürich fordert 10 Prozent und mehr.» Der Betrieb könne vielleicht noch weiter optimiert werden, doch es würden dem Spital wichtige Mittel für neue Investitionen fehlen.

Fragen zum Bau und zum Spitalverbund

Auch die Verwendung der 50 Millionen Franken der Gemeinden überzeugt den Rütner Gemeinderat nicht. Von den 50 Millionen Franken würde die Hälfte zur Sicherstellung der Liquidität gebraucht, um damit z. B. überhaupt die Löhne zahlen zu können. 20 Millionen Franken würden für den Neubau gebraucht, mit dem der Bau aber immer noch nicht fertiggestellt wäre. «Man hat 230 Millionen aufgenommen, 90 Millionen wurden verbaut, aber es gibt kein Preisschild, was die Fertigstellung überhaupt kosten würde.»

Zum anvisierten Spitalverbund sagte Bürgin: «Die GZO AG strebt einen regionalen Spitalverbund mit Spitälern wie Uster und Männedorf an. Doch es ist überhaupt nicht klar, wie dieser zustande kommen soll.»

«Die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist Aufgabe des Kantons. Darauf müssen wir in den Gemeinden vertrauen.»
Yvonne Bürgin

«Fehlende Aufarbeitung und Verantwortung»

Der Gemeinderat Rüti lehne den Kreditantrag auch deshalb ab, weil die Aufarbeitung fehle. «Es ist unklar, wohin das Geld für den Neubau geflossen ist. Dazu kommt eine intransparente Planung und Kommunikation – auch unter dem neuen Verwaltungsrat.» Seit Monaten würden die Aktionärsgemeinden keine offiziellen Meldungen erhalten.

Grosse Investitionen in der Gemeinde

Weiter führte Yvonne Bürgin aus, dass Rüti in den kommenden Jahren vor grossen Investitionen stehe wie die ARA, Schulhäuser, Infrastruktur. Auch Regio144 dürfte künftig mehr Geld benötigen. «Dort wäre das Geld besser investiert», sagte Bürgin geradeheraus.

Für die Kapitalerhöhung beim GZO müsste Geld aufgenommen werden, auf das Zinsen anfallen, welche die Bevölkerung lange belasten werde.

Bürgin betonte, dass die Gemeinden nicht verpflichtet seien, Geld ins Spital einzuschiessen und dass ein Nein zum GZO-Kredit nicht bedeute, dass die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet wäre. «Denn diese muss vom Kanton im Rahmen der kantonalen Spitalplanung sichergestellt werden. Der Regierungsrat hat bereits 2024 gesagt, dass das GZO nicht unverzichtbar ist und gemäss Berechnungen auch ohne GZO 98 Prozent der Bevölkerung im Zürcher Oberland in max. 25 Minuten eine Notfallstation erreicht. Darauf müssen wir Gemeinden vertrauen.»

Das Fazit von Bürgin: «Selbst mit 50 Millionen Franken ist nicht klar, ob das Spital wirklich überlebt. Gesundheit ist das Wertvollste. Genau darum dürfen wir sie nicht auf unsicheren Boden stellen. Gesundheit verdient Ehrlichkeit und Vertrauen und nicht Hoffnung und unsichere Versprechen. Verantwortung heisst, hinzuschauen, bevor man handelt. Und manchmal bedeutet Verantwortung auch, Nein zu sagen, damit nachher ein echtes Ja möglich wird.»

«Ja, es ist vieles nicht gut gelaufen. Es ist dem Bau geschuldet, der viel zu lange gedauert hat. Man hätte es anders machen sollen.»
GZO-Direktor Hansjörg Herren

«Viel gelernt»

Im zweiten Teil der Veranstaltung sprach GZO-Direktor Hansjörg Herren. Er begann seinen Vortrag mit den Worten: «Ja, es ist vieles nicht gut gelaufen. Es ist dem Bau geschuldet, der viel zu lange gedauert hat. Man hätte es anders machen sollen.» Der Wechsel der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats sei ein wichtiger Schritt gewesen.

Man habe viel gerechnet, den Betrieb optimiert. «Wenn man durch so eine Kur geht, lernt man. Der Betrieb hat gelernt, zu sparen. Das müssen wir jetzt weiterziehen.» Es gebe keine Leichen im Keller, betonte er, und untermauerte dies mit dem aktuellen EBITDA, der trotz der derzeitigen Herausforderungen mit 4,3 Prozent im Schweizer Durchschnitt liege.

Herren ging auf den Businessplan ein und auf die Kritik, dass zu viele stationäre Behandlungen darin geplant seien. Doch die Zahlen seien realistisch in Anbetracht des Bevölkerungswachstums im Zürcher Oberland. Das führte später auch der anwesende Verwaltungsrats-Präsident Andreas Mika aus.

Hansjörg Herren erklärte weiter, dass das GZO den Auftrag habe, die Grundversorgung sicherzustellen. Dazu gehörten die Annahme von Notfällen, die nicht planbar seien. In Zukunft würde eine grössere Kapazität für Notfälle, Schockräume und Plätze auf der Intensivstation nötig. Natürlich könne man dies auch anderswo ausbauen, in Männedorf oder Uster. Aber das stehe im Spannungsfeld zum Neubau in Wetzikon.

«Natürlich ist ein Businessplan immer eine Prognose in der Zukunft. Aber mit dem Konzept kann man das Spital neu aufsetzen.»
Hansjörg Herren
GZO-Direktor Hansjörg Herren nahm Stellung zur Kritik des Rütner Gemeinderates und beantwortete Fragen aus dem Publikum. Bild: Barbara Tudor

Herren verteidigt den Businessplan. «Natürlich ist ein Businessplan immer eine Prognose in der Zukunft. Aber mit dem Konzept kann man das Spital neu aufsetzen.» Ausserdem entscheide am Ende das Gericht über den Nachlassvertrag. «Das Gericht prüft, ob der Plan nachhaltig ist. Wenn nicht, wird das Gericht ihn nicht billigen.»

Auch Verwaltungsratspräsident Andreas Mika, der zuvor als Teil der Expertengruppe tätig war, äusserte sich zum Plan. Er sei vom Plan überzeugt und stehe dahinter.

Fragen zum Neubau offen

Die Fragen von Gemeinderätin Bürgin, wie viel Geld in den Neubau geflossen ist und wie viel noch nötig sein wird – neben der Sanierung des Hauptturmes, der mit der Anleihe von damals ja auch hätte saniert werden sollen, heute aber grösstenteils noch so da steht wie einst – vermochte Herren nicht genau beantworten. In den Hauptturm und in Geräte seien 70 Millionen investiert worden, der Neubau habe bislang 105 Millionen gekostet, inkl. fertiggestelltem Personalhaus. Im Umfang von 5 Millionen Franken sei Fremdkapital zurückbezahlt worden.

20 Millionen vom frisch eingeschossenen Kapital der Gemeinden würden für weitere Bauarbeiten am Neubau verwendet, etwa für Lüftung und Heizung. Am Neubau sei «relativ viel ausgebaut». Derzeit richte man sich aber darauf ein, dass man in den nächsten zehn Jahren im Altbau weitermache. Später, wenn der Neubau fertig sei, würde man nur noch die ersten Etagen vom Haupthaus nutzen.

Auf den Spitalverbund angesprochen, sagte Herren: «Die Region hat viele Spitäler. Es ist klar, dass man da konsolidieren muss. Es wird zu Zusammenschlüssen kommen. Die müssen wir untereinander lösen, nicht mit dem Kanton.» Man führe Gespräche mit möglichen Partnern. Mika ergänzte: «Wir denken in viele Richtungen.» Doch in der Nachlassstundung sei es schwer. Der allgemeine Tenor: «Wir reden gerne mit euch, aber nicht solange ihr in der Nachlassstundung seid.»

Individuelle Ängste

Was Yvonne Bürgin in ihrer Einleitung angesprochen hatte, wurde in der anschliessenden Fragerunde deutlich: Die Menschen machen sich vor allem Sorgen, dass sie in einem Notfall nicht rechtzeitig Hilfe bekommen würden, wenn das GZO schliessen müsste. Andere stellten das Spitalgesetz oder die verwehrte finanzielle Hilfe des Regierungsrats in Frage.

Eine Person wollte wissen, was passiert, wenn Rüti dem Kredit nicht zustimmt. Ob dann eine andere Gemeinde wie zum Beispiel Wetzikon einspringen würde. Bürgin: «Nein.» Hansjörg Herren ergänzte: «Wenn wir unter die 50-Millionen-Grenze kommen, haben wir ein Problem mit den Gläubigern.»

Eine Person wollte wissen, warum der Bau auch nach zehn Jahren noch nicht fertiggestellt ist. Herren sagte dazu: «Das ist eine Summierung von Geschichten» und schob die Schuld direkt dem Generalunternehmer, der Firma Steiner, die sich mittlerweile ebenfalls in der Nachlassstundung befindet, in die Schuhe. Es habe dort viele personelle Wechsel gegeben.

Keine Zeit für die Vergangenheit

Ein anderer Fragesteller wollte wissen, wo das Geld der Anleihe geblieben ist: «Wo sind die 140 Millionen Franken, Herr Herren?» Darauf Herren: «Das wird man aufarbeiten müssen. Aber wir sind im Moment so unter Druck, dass wir uns jetzt nicht mit der Vergangenheit beschäftigen können. Wir können gerne in einem Jahr, wenn wir da raus sind, Rechenschaft ablegen, was in der Vergangenheit passiert ist.»

Der Abend machte deutlich: So oder so wird das GZO die Menschen in naher und weiterer Zukunft viel Geld kosten. Gesundheit ist im wahrsten Sinn vom Wort ein teures Gut.

Barbara Tudor