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Grüningen
11.09.2025
11.09.2025 14:04 Uhr

«Das Stedtli ist beliebt und könnte vielseitig genutzt werden»

Gemeindepräsident Carlo Wiedmer sieht verschiedene Nutzungsmöglichkeiten für das Gemeindehaus.
Gemeindepräsident Carlo Wiedmer sieht verschiedene Nutzungsmöglichkeiten für das Gemeindehaus. Bild: Yvonne Cassol
Über 500 Grüningerinnen und Grüninger haben sich an der Umfrage zur Stedtlibelebung beteiligt. Die Erkenntnisse daraus sowie das Calatrava-Vorprojekt werden jetzt öffentlich aufgelegt. Gemeindepräsident Carlo Wiedmer erklärt, welche Schlüsse man daraus ziehen kann und wie das weitere Vorgehen ist.

Grüninger Post: Welches waren die wichtigsten Erkenntnisse aus der Umfrage zur Stedtlibelebung?

Carlo Wiedmer: Dass das Stedtli bei unserer Bevölkerung beliebt ist, dass die Menschen dort gerne sind und gerne dort hingehen.

Wie hoch war die Beteiligung an der Umfrage?

523 Grüningerinnen und Grüninger haben teilgenommen. Wenn man Vergleichszahlen aus anderen Gemeinden anschaut, ist das sehr hoch. Und wenn man bedenkt, wie viele Menschen im Stedtli wohnen und wie viele mitgemacht haben, ist diese Zahl sehr erfreulich.

Welche Orte im Stedtli wurden als beliebt, welche als nicht beliebt genannt?

Man konnte auf einer Karte Punkte setzen: Beliebt sind das Schloss, der Schlosshof, der Herrenbaumgarten und der Chratzplatz. Nicht beliebt ist der ganze Strassenraum und auch der Stedtlipark, weil dieser natürlich an der Strasse liegt. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass man diesen bei einer Umfahrung auch anders nutzen könnte. Die Befragten haben auch Kommentare zu diesen Punkten abgegeben, die ebenfalls ausgewertet wurden.

Was waren das für Kommentare?

Beispielsweise wird das Schloss mit Kirche und Schloss-Café als schöner Ort zum Verweilen und schöner Aussichtspunkt bezeichnet. Auch der autofreie Chratzplatz wird als idyllischer historischer Kern bezeichnet, und sogar der Stedtlipark wird als schöner, ruhiger Garten genannt. Der Stedtlipark kann aus meiner Sicht aber erst mit der Umfahrung so genutzt werden, wie er es auch verdient. Aber die Aussicht dort ist auf jeden Fall sehr schön. Der Herrenbaumgarten wird, mit seinem Spielplatz und den Veranstaltungen, als Begegnungsort für Generationen geschätzt. Negativ bewertet wurde vor allem die Strasse durchs Stedtli und auch der Damm, der allerdings unter Schutz steht.

«Der Regierungsrat will sparen. Wenn wir auf der Prioritätenliste zurückgestuft werden, wird es schwierig.»
Carlo Wiedmer, Gemeindepräsident

Was wurde negativ kommentiert?

Der Stedtlipark beispielsweise werde zu wenig genutzt und es habe zu wenig Bäume, was aufgrund der darunterliegenden Tiefgarage aber nicht möglich ist. Wir werden es bei der Pergola mit einer anderen Bepflanzung versuchen, weil das Rosenspalier, das Schatten spenden soll, nicht richtig gewachsen ist.

Es wurde auch nach Ideen für ein verkehrsberuhigtes Stedtli gefragt.

Ja, es kamen Ideen für eine Nutzung wie Geocaching, Yoga und Sitzgelegenheiten vor den Häusern, was jetzt so nicht möglich ist. Könnte man die bestehenden Plätze mehr nutzen, würden auch mehr Menschen ins Stedtli kommen.

Was sind die nächsten Schritte?

Wir müssen abwarten, was der Regierungsrat entscheidet. Santiago Calatrava, der Architekt der Umfahrungsbrücke, hat sein Vorprojekt fertiggestellt und die Kosten dafür liegen auf dem Tisch. Das Vorprojekt wird öffentlich aufgelegt und wir werden gleichzeitig das Freiraumkonzept öffentlich auflegen. Dieses auszuarbeiten, war eine Vereinbarung mit dem Kanton. Es ist kein Bestandteil des Vorprojekts, aber sozusagen eine Beilage.

Wann wird dies geschehen?

Die öffentliche Auflage wurde leider leicht nach hinten geschoben, ein Datum ist noch nicht bekannt. Der Knackpunkt ist, dass der Regierungsrat sparen möchte. Es gibt eine Prioritätenliste und gewisse Infrastrukturprojekte werden anders eingestuft. Wenn wir dort zurückgestuft werden, dann wird es richtig schwierig.

«Das Projekt hat sich verteuert. Heute rechnet man mit rund vierzig Millonen Franken.»
Carlo Wiedmer

Heisst?

Ich habe bereits mit vier Regierungsräten persönlich gesprochen, mit den anderen werde ich auch noch sprechen. Man muss ihnen klar machen, dass die Umfahrung wichtig für Grüningen ist und wir schon 50 Jahre darauf warten. Zudem ist die Umfahrung zwingend nötig, um die historische Substanz zu schützen. Mit der Anzahl durchfahrender Autos ist es für den Kanton leider nicht prioritär. Momentan sind es 5000 bis 6000 Fahrzeuge am Tag, durch die Strassensperrung in Gossau aktuell wahrscheinlich mehr als sonst. Ich habe mich diesbezüglich beim Kanton dafür eingesetzt, dass die Beschilderung bei der Autobahnausfahrt in Richtung Gossau wegkommt, was sicher zu einer Entlastung geführt hat.

Man weiss also noch nicht, welche Priorität die Stedtlium- fahrung haben wird.

Leider nein, wir können nur versuchen, in persönlichen Gesprächen die Dringlichkeit deutlich zu machen.

Noch besteht Hoffnung auf eine Priorisierung. Wie ist der Fahrplan dann?

Dann ist der Baustart für 2029 vorgesehen. Nach dem Vorprojekt wird das Bauprojekt ausgearbeitet, es folgt die Submission, dann kann gestartet werden und die Umfahrung wäre voraussichtlich 2031 fertig. Mittlerweile hat sich das Projekt ziemlich verteuert und man rechnet heute mit rund vierzig Millionen Franken.

Das ist fast doppelt so viel wie ursprünglich gerechnet!

Ja, das ist viel Geld. Doch wenn man sieht, dass allein ein Veloweg von Grüningen nach Hombrechtikon sechs Millionen Franken kostet, ist das für mich absolut vertretbar. Für unsere Gemeinde wären vierzig Millionen Franken enorm viel Geld, doch für den Kanton ist das ein kleineres Infrastrukturprojekt. Die Umfahrung Eglisau würde rund eine halbe Milliarde Franken kosten – Das sind ganz andere Dimensionen. Wir sind noch das einzige Landstädtchen, wo der Verkehr mittendurch rollt.

Wenn das Stedtli verkehrsbefreit ist, die Gemeindeverwaltung und das Notariat aus dem Stedtli wegziehen, was bleibt dann noch im Stedtli?

Die Menschen wollen Einkaufsmöglichkeiten, das hat die Umfrage gezeigt. Dass die Gemeindeverwaltung im Stedtli ist, trägt nicht viel zur Belebung bei. Die Belebung findet vor allem nach Feierabend statt.

Wie erreicht man das?

Gute Frage. Wir können nur die Plätze und den Aussenraum attraktiver machen. Wenn man den Aussenraum wieder mehr nutzen kann, Restaurants nach draussen stuhlen können, dann wird es attraktiver. Schön wäre, wenn auch wieder kleine Ladenkonzepte wie Selbstbedienungsläden entstehen könnten. Dafür braucht es initiative Betreiberinnen und Betreiber.

«Wir wollen die Möglich­keit bieten, das Gemeinde­haus anders zu nutzen.»
Carlo Wiedmer

Wie soll das aussehen, mit Pflanzen und Kopfsteinpflaster?

Es braucht sicher bauliche Massnahmen. Dass es Kopfsteinpflaster sein wird, glaube ich eher nicht. Es gibt Beispiele wie in Pfäffikon, wo ein verkehrsfreier Platz enorm an Attraktivität gewonnen hat. Momentan ist es bei uns das Dorfzentrum in Binzikon, doch vielleicht ändert sich das wieder zugunsten des Stedtli.

Wie geht es weiter mit dem Gemeindehaus?

Wir prüfen Alternativen, viel mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen. Wir wollten mit der Idee eines Umzugs in erster Linie die Investitionsrechnung entlasten und die Möglichkeit bieten, das Gemeindehaus anders zu nutzen. Es war schon einmal ein Wohn- und Schulhaus. Klar ist: Wenn wir das Gemeindehaus verlassen, braucht es eine gute alternative Nutzung. Öffentliche Gebäude müssen, wie auch das Notariat, behindertengerecht sein mit Lift und Rampen, was den Umbau sehr verteuert.

Was könnte eine alternative Nutzung sein?

Es könnte ein Bürogebäude mit Wohnungen werden, dafür bräuchte es auch keinen Lift. Das Gebäude bliebe im Besitz der Gemeinde und man könnte damit eine Rendite erzielen. Natürlich bräuchte es Renovationen im Sanitär- und Technikbereich, doch ich denke, mit rund einer Million Franken würde man da weit kommen.

Findet man Mieter für Büroräume, wenn im neu geplanten Verwaltungsgebäude auch Büroräumlichkeiten angeboten werden?

Das wird sich weisen. Wie gesagt, wir prüfen auch andere Möglichkeiten. Von der Zonenordnung her sind im Industriequartier nur Gewerbe- und Büroräumlichkeiten möglich. Doch wir prüfen jetzt auch andere Standorte.

Zurück zur Stedtliumfahrung: Was passiert, wenn das Projekt aus der Prioritätenliste rausfällt?

Dann müsste man über den Kantonsrat einen politischen Vorstoss machen, dass es wieder auf die Liste kommt, was natürlich wieder mit viel Aufwand verbunden wäre. Es kann nicht sein, dass man eineinhalb Millionen Franken für ein Vorprojekt ausgibt und das dann in der Schublade landet. Das habe ich auch Regierungsrat Ernst Stocker gesagt. Dieser Dialog muss auf einem guten Niveau stattfinden, wo man immer wieder miteinander spricht. Von meiner Seite her werde ich alles unternehmen, damit dies gelingt.

 

Martina Gradmann