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Kommentar
Gossau ZH
16.05.2025
17.05.2025 10:16 Uhr

Gemeinde-Kommunikation: Stillstand statt Fortschritt

Kommunikation mit Scheuklappen? (Symbolbild)
Kommunikation mit Scheuklappen? (Symbolbild) Bild: pixabay.com
Der Gossauer Gemeinderat will auf digitale Kommunikationskanäle setzen. Damit macht er es sich zu einfach. Vor allem aber erreicht er einen wesentlichen Teil seiner Bevölkerung nicht.

Im Mai 2024 kündigte der Gemeinderat von Gossau gross an, die Kommunikation auf neue Beine zu stellen, um den Dialog zur Bevölkerung zu stärken. Neben der gezielten Kommunikation über die Gemeinde-Homepage und die Öffnung von sozialen Kanälen, lancierte er auch ein Printprodukt als Teil der neuen Kommunikationsstrategie.

Die Zeitschrift namens «Lutra» wurde aus der Taufe gehoben und erschien im Sommer 2024 zum ersten Mal. Gekostet hat «Lutra» den Gossauer Steuerzahler rund 170'000 Franken – bei vier erschienenen Ausgaben.

«Lutra» kam nicht wirklich gut an, und die Gossauer Stimmberechtigten waren nicht bereit, das überteuerte Printprodukt weiter zu tragen. Vor allem deshalb nicht, weil die Gemeinde für 2025 ein Defizit-Budget präsentierte. So wurde das «Lutra» an der Budgetversammlung im November 2024 aus dem Budget gestrichen (wir berichteten).

Keine Entwicklung zu erkennen

Nun informierte der Gemeinderat per Medienmitteilung, dass er die Gemeindekommunikation «weiterentwickelt» habe. Man werde den Fokus weiterhin auf digitale Kanäle, also auf die eigene Gemeinde-Homepage und die sozialen Kanäle legen. Gedruckt an die Haushalte verteilt würden noch der Abfallkalender und zweimal jährlich der Veranstaltungskalender für Menschen über 60 Jahren. Dafür hat der Gemeinderat 30'000 Franken gesprochen.

Was daran eine Weiterentwicklung sein soll, erschliesst sich mir nicht. Weder als Bewohnerin und Steuerzahlerin von Gossau, noch als Betreiberin einer Dialogmarketing-Agentur und Herausgeberin von verschiedenen Print- und Onlinemedien.

Website mit Mängeln

Die Website der Gemeinde Gossau, die 2022 zuletzt überarbeitet wurde und der wichtigste Kommunikationskanal der Gemeinde sein soll, weist etliche Mankos auf. Bis heute hat die Gemeindeverwaltung es nicht geschafft, diese zu optimieren. Sie dümpelt auf dem Stand von 2022 dahin. Trotz in den letzten Jahren erhöhtem Personalbestand auf der Verwaltung.

Die Navigation ist umständlich, Inhalte sind nur über diverse Klicks auffindbar, die Suchfunktion ist – Pardon – eine Katastrophe. Und bis heute fehlt ein Newsletter, den andere Gemeinden – auch deutlich kleinere als Gossau – längst eingeführt haben. Von den teilweise langen Ladezeiten auf einzelnen Inhaltsseiten mal ganz abgesehen. Und von der Homepage der Schule, die ja eigentlich zur Einheitsgemeinde Gossau gehört, will ich gar nicht erst reden. Die ist irgendwo in den 1990ern stehengeblieben.

Von Weiterentwicklung kann keine Rede sein. Inhalte wurden ja gar heruntergefahren. So findet man auf der Gemeinde-Homepage z. B. kein Firmenverzeichnis mehr und auch die Veranstaltungen im Dorf wurden aus der Agenda gestrichen. Gelistet werden nur noch die gemeinde-eigenen Veranstaltungen wie die Gemeindeversammlungen oder Entsorgungsdaten. Auch das machen andere Gemeinden um Welten besser.

Soziale Kanäle dümpeln vor sich hin

Vor einem Jahr hat die Gemeinde die sozialen Medien geöffnet, darunter Facebook und Instagram. Nach einem Jahr des Betriebs erreicht die Gemeinde über Facebook gerade einmal 100 Personen, auf Instagram sind es 400. Wobei etliche «Follower» nicht aus Gossau sind. Über die Gossauer Facebook-Seite Gossau-ZH24 könnte die Gemeinde mit einer Kooperation über 1'900 Follower erreichen.

Ich weiss beim besten Willen nicht, wie der Gemeinderat in seiner Mitteilung von einer Weiterentwicklung sprechen kann. Auch erschliesst sich mir nicht, was es da noch weiter zu testen gibt. Eine Umfrage in der Bevölkerung letztes Jahr hätte schneller und sicher kostengünstiger klare Antworten geliefert. Dazu hätte es das 160'000 Franken teure «Lutra» nicht gebraucht. Als Vergleich: Mit dem Geld hätte der Gemeinderat drei Jahre lang 10 Seiten in jeder Gossauer Post-Ausgabe buchen können und hätte auch noch Budget für amtliche Publikationen im «Zürcher Oberländer» und dem «Regio» gehabt.

Gossau hinkt hinterher

Gossau ist eine Gemeinde von vielen, die alle mit den gleichen Herausforderungen bezüglich Kommunikation konfrontiert sind. Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Wieso profitiert man nicht von den Erfahrungen anderer Gemeinden, die schon länger in der digitalen Welt unterwegs sind? Mit dem Verband der Gemeindepräsidenten, der ja sogar vom Gossauer Gemeindepräsidenten Jörg Kündig präsidiert wird, gäbe es sicher ausreichend Vernetzungsmöglichkeiten. Oder mit dem Verein Zürcher Gemeinde- und Verwaltungsfachleute.

Während die Gemeindeverwaltung Gossau ZH weiter vor sich hin testet, verbessert sich die Situation für die Bevölkerung nicht. Im Gegenteil. Wer sich nicht die Mühe macht und regelmässig auf der Gemeinde-Homepage vorbeischaut oder wer keine sozialen Medien nutzt, hat das Nachsehen und verpasst wichtige Informationen. Ein Recyclingkalender und eine Agenda 60Plus für 30'000 Franken in die Haushalte zu verteilen, ist keine Strategie.

Gossauer Bevölkerung hat Glück

Zum Glück gibt es in Gossau die Gossauer Post und www.zuerioberland24.ch, welche die Gossauer Bevölkerung laufend über das Leben in der Gemeinde informieren. Gedruckt und zugestellt in alle Haushaltungen sowie online. Kostenlos. Auch in den sozialen Medien. Von Gossau, für Gossau.

Statt die vorhandene Lokalpresse gezielt in die Kommunikation einzubeziehen und für die eigenen Zwecke zu nutzen, negiert der Gemeinderat sie in ihrer Kommunikationsstrategie weiterhin konsequent. Und das Budget für amtliche Publikationen im «Zürcher Oberländer» wurde für dieses Jahr gestrichen.

Die Kommunikationsstrategie der Gemeinde Gossau ist keine Weiterentwicklung. Sie bedeutet Stillstand. Schade.

Barbara Tudor