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Gossau ZH
05.02.2022

«Vergesst mir den Balken nicht!»

Die Abbrucharbeiten bei der "Linde" in Grüt ZH haben begonnen.
Die Abbrucharbeiten bei der "Linde" in Grüt ZH haben begonnen. Bild: Barbara Tudor
Am 4. Februar 2022 begannen die Abbrucharbeiten der „Linde“ in Grüt, wo auf Winter 2023 zwei neue Gebäude mit Wohn- und Geschäftseinheiten entstehen. Gekommen waren neben Bauvertretern auch ehemalige und neue Bewohnende. Und der Gemeindepräsident, der unbedingt einen Balken haben will.

Am 4. Februar 2022 lud die Bauherrschaft der „Linde“ in Grüt, die Gossauer Artec Generalbau AG, zum Baustart. Gekommen sind neben Vertretern der beteiligten Baufirmen, dem Architekten, Ingenieur und Statiker auch Anwohnende, der letzte Mieter, die ersten Käufer, die Presse und der Gemeindepräsident Jörg Kündig, dem mitunter ein Balken in dem alten Gebäude besonders am Herzen liegt. Doch mehr dazu später.

Es war ein langer Weg

Guido Brühwiler, Verwaltungsrat der Artec Generalbau AG und Geschäftsleiter der Nova Bautreuhand AG, begrüsste die Gäste. In seiner Ansprache warf Brühwiler einen Blick zurück auf die Geschichte und Vorbesitzer der „Linde“ und fasste die verschiedenen Etappen vom Kauf der Liegenschaft, die eingereichten und abgelehnten Projekte, Einsprachen, die Fällung des Mammutbaums bis hin zur Baubewilligung im Frühling 2021 kurz zusammen.

Doch nun stehe man hier und der Weg sei frei, um der Grüningerstrasse 14 und 16 neues Leben einzuhauchen. Brühwiler bedankte sich fürs Kommen und im Besonderen auch bei den Vorbesitzern, dank denen man das Grundstück habe vereinen können.

Guido Brühwiler begrüsst die Gäste und erzählt vom Weg bis hierhin. Bild: Barbara Tudor

«Ein neuer Begegnungsort ist unser Ziel»

Neben Eigentumswohnungen im unteren Haus Nummer 16 soll das Haus 14 gewerblich genutzt werden. Im Parterre ist eine Fläche von 160 m² für eine publikumsorientierte Nutzung geplant. «Damit lösen wir das Versprechen ein, dass auch im Neubau Raum für Begegnungsmöglichkeiten geschaffen wird», sagte Brühwiler. Bisher hätten sich leider noch keine Interessenten gemeldet, aber man hoffe, dass dort wieder ein Café o.ä. für die Dorfbewohnenden entstehen könne.

Gemeinde will einen Balken

Dass viele Emotionen und schöne Erinnerungen an dem Gebäude hängen, wird auch deutlich, als Gemeindepräsident Jörg Kündig zu den ca. 30 Anwesenden spricht. Er selbst habe dort auch Feste gefeiert. Die Gemeinde sei froh, dass Einheimische das Projekt anpacken und der Wunsch nach einer erneuten Begegnungsmöglichkeit berücksichtigt werde.

Das Gebäude ist mittlerweile komplett ausgehöhlt. Bereit also, um dem Neuen Platz zu machen. Ein Objekt aber, das unbedingt vor dem Abriss gesichert werden soll, ist ein langer alter Querbalken im Gebäude. Ein Anwohner habe sich bei der Nova Bautreuhand AG und auch bei der Gemeinde gemeldet, dass man diesen unbedingt sichern müsse.

Und genau dieser Balken scheint auch Jörg Kündig enorm am Herzen zu liegen. «Wir wollen den Balken im Werkhof restaurieren. Wo er dann hinkommen wird, ist jetzt noch offen.» So ermahnte er die Männer von der Abrisstruppe mit einem Lachen, aber bestimmt: «Sichert mir den Balken!»

Jörg Kündig bei seiner Ansprache an die Gäste. Bild: Barbara Tudor

Abriss hat begonnen

Im Anschluss an die Ansprachen legte Rolf Weilenmann, Mitglied der Geschäftsleitung der Nova Bautreuhand AG, als erster Hand an und begann, mit dem tonnenschweren Abrissbagger, der mit seinem langen Hals und dem Greifer wie ein gefrässiger Dinosaurier aussah, den Balkon an der Seite des Gebäudes abzureissen.

Auch Jörg Kündig und nach ihm weitere Gäste setzten sich in den Bagger und rissen ein Stück heraus. Dabei lag eine Mischung aus Abschied, Wehmut, Freude und Faszination in der Luft.

«Der Mammutbaum war wirklich in einem schlechten Zustand»

Beim anschliessenden Apéro waren vor allem Erleichterung und Freude bei den Anwesenden zu spüren. Man scheint froh zu sein, dass es jetzt losgeht. Auch von den Nachbarn, die gekommen sind, hörte man nichts Negatives.

Auf die Fällung des Baums und das Projekt angesprochen, sagte eine ältere Dame: «Ich war bei der Fällung dabei. Natürlich war es schade um ihn. Aber er war wirklich in einem schlechten Zustand.» Eine Frau, die schon viele Jahre in dem Quartier wohnt, ergänzte: «Dafür haben wir jetzt mehr Licht.» Und eine Frau, welche die letzte Wirtin, Susi Trachsler, noch kannte, sagte dazu: «Es hat alles Vor- und Nachteile. So ist das Leben!»

Die Sonne warf zum Abschied nochmal ihr Licht auf die alte „Linde“. Bild: Barbara Tudor

Neue Mauern – neue Geschichte

Die Wintersonne warf zum Abschied noch einmal ihr Licht auf das Gebäude. Was diese Mauern wohl für Geschichten erzählen könnten, denke ich mir beim Wegfahren. Ab Winter 2023 werden neue Mauern und neue Bewohner Geschichte schreiben und hoffentlich wieder für ein fröhliches Zusammensein der Grütnerinnen und Grütner sorgen.

Weitere Informationen: www.nova-ag.ch

Barbara Tudor